Magazin
Die Kunst des Übersetzens
Zum Tod von Peter Urban
von Karlheinz Braun
Erschienen in: Theater der Zeit: Die Menschenbaustelle – Bühnenexperimente am Bauhaus Dessau (02/2014)
Anton Cechovs Name fiel 1966 bei Suhrkamp, als die Lektoren über den 10. Band der Spectaculum- Reihe diskutierten, der die wichtigsten Dramen des 20. Jahrhunderts enthalten sollte. Der jüngste unter den Lektoren, Peter Urban, sagte da zur Verblüffung der anderen: „Dann muss das erste Stück darin ‚Der Kirschgarten‘ von Anton Cechov sein.“ Verblüfft waren die Lektoren deshalb, weil die Stücke, die sie in den Stadttheatern sahen, doch eher ins 19. Jahrhundert gehörten. Das sollte sich bald ändern. Drei Jahre später verwirklichten die Lektoren mit der Gründung des Verlags der Autoren nicht nur ihren „Traum vom herrschaftsfreien Arbeiten“ (Urs Widmer), sondern Peter Urban auch seinen sehr persönlichen. Bereits ein halbes Jahr nach seiner Gründung, im Herbst 1969, kündigte der Verlag die Neuübersetzung des dramatischen Werkes von Anton Cechov durch Peter Urban an, und wiederum ein halbes Jahr später wurde die erste neue Übersetzung, ausgerechnet die des „Kirschgartens“, inszeniert von Hans Lietzau, am Hamburger Schauspielhaus uraufgeführt. Wenig später folgten „Onkel Vanja“ in Stuttgart, „Drei Schwestern“ in Darmstadt, „Die Möwe“ in Basel, selbst „Der Waldschrat“ in Heidelberg: ein Cechov-Boom in den 70er und 80er Jahren mit Aufführungen, die erst auf der Grundlage der vom Schutt und Schrott der alten Übersetzungen befreiten Neuübersetzungen möglich...