Theater der Zeit

Gemeinsam für schöne, wilde, eigenwillige, politische Kunst!

von Kathrin Mädler

Erschienen in: DAS FLÜCHTIGE GESTALTEN – 30 Jahre Bayerische Theaterakademie August Everding (11/2023)

Assoziationen: Dramaturgie

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Die Studienzeit an der Bayerischen Theaterakademie August Everding im (damaligen) Diplomstudiengang Dramaturgie war eine Möglichkeit, sich als eigenwillige Theaterpersönlichkeit zu suchen, auszuprobieren und zu verorten. Die Projekte an der Theaterakademie hingen stark von der Fähigkeit ab, sich „nach vorne zu behaupten“, Allianzen zu schmieden, Möglichkeiten schnell zu erspüren und sich selbstbewusst zu positionieren – auch wenn man dieses Selbstbewusstsein noch gar nicht hatte. Die damalige Parallelität von Studium an der Universität und an der Akademie verlangte schmerzhafte Priorisierungsentscheidungen und einen sicheren Fokus. All das hat gut vorbereitet auf die große Freiheit und Selbstverantwortung, die eine Positionierung am Theater mit sich bringt. Aber eben am Theater – ich erinnere mich, dass ich damals sehr eindeutig und oft pragmatisch auf die Beschäftigung im Betrieb, im Stadttheater, zugegangen bin.

Das ist heute sicher anders. Die Dramaturgie hat sich als Feld erweitert, diversifiziert, ist noch aufregender, vielfältiger, aber auch diskursiver und politischer geworden – wie das Theater und seine Formen und Formate selbst. Junge Dramaturg:innen scheinen mir unabhängiger, offener, eigenwilliger zu sein und sich bewusster als eigenständige Künstler:innen zu begreifen.

Ich bin oft aber erstaunt über das negative Bild vom Stadttheater, mit dem Studierende von den Hochschulen zu uns kommen: Ich halte diese Institution, bei aller Kritik, die man an ihr üben kann, nach wie vor für einen großartigen, produktiven, freien und gestaltbaren Raum für Theaterkunst, den es zu erhalten, zu verbessern und weiterzuentwickeln gilt. Und auch für eine große Chance zur individuellen Persönlichkeitsentfaltung. Deshalb wünsche ich dem Theater sehr, dass bei den Absolvent:innen weiterhin die Lust besteht und auch vermittelt wird, diese Institution mit Leben und ihren Perspektiven zu füllen und mit Freude für die Zukunft zu gestalten. Und den Studierenden wünsche ich, dass sie den inhaltlichen und künstlerischen Gestaltungsraum, den das Stadttheater bietet, erkennen und nutzen. Das gerät im Moment manchmal aus dem Fokus. Ich glaube auch, dass wir deutlich mehr Austausch zwischen den Theatern und den Ausbildungsstätten brauchen: damit sich die Theater durch die jungen Visionen schneller verändern können. Und damit die Studierenden die Struktur verstehen können, bevor sie ihren Platz darin ablehnen. Durch eine solche engere Verbindung könnten die notwendigen Veränderungsprozesse im System und in der Struktur, die ohnehin im Gange sind, gemeinsam konstruktiver ablaufen und damit schneller wieder den Fokus auf das Eigentliche freigeben: schöne, wilde, eigenwillige, politische Kunst!

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