Auftritt
Wien: Der lange Marsch ins Nichts
Theaterkombinat: „Ideal Paradise“ (UA) von Claudia Bosse
von Theresa Luise Gindlstrasser
Erschienen in: Theater der Zeit: Glanz und Elend – Shenja Lacher und das Ensemble-Netzwerk über die Zustände am Stadttheater (10/2016)
Und es kracht doch. Der große grüne Buchstabe fällt vom Holzstab und auf die Straße. Dabei hatte Claudia Bosse das Premierenpublikum der sogenannten nomadischen Stadtkomposition wiederholt zur Sorgsamkeit aufgefordert. Bei der Prozession durch vier Wiener Gemeindebezirke wurde das titelgebende „Ideal Paradise“ als in den Stadtraum gestellte Behauptung von Station zu Station getragen. Und zerkrachte, zumindest in diesem Moment, an einer sich als spielverderbend erweisenden städtebaulichen Realität, genannt Straßenschild. Dieser Unfall zulasten des mit utopischen Ansprüchen aufgeladenen Requisits ist dann, nach Ende des vierstündigen Spaziergangs, einer der bemerkenswerteren Momente geblieben.
Bemerkenswert oder zumindest auffällig, weil sich mit diesem Hoppla die in der „choreografischen Intervention“ durchgehend ausgeklammerte potenzielle Tragik von Paradies-Forderungen einfach so von selber herstellt. Und dergestalt doch noch ein wenig Widersprüchlichkeit und also Aufregung in der lückenlosen feel-good-Atmosphäre der „performativen Untersuchung“ zu spüren war. Die als Abschluss einer Projektserie konzipierte Produktion von Bosse und ihrem Kollektiv theatercombinat will nämlich vor allem irgendwelche nicht näherhin bestimmten neuen „Formen des Zusammenlebens in Zeiten politischer und kultureller Umbrüche“ feiern. Also durch ebenso nicht näherhin bestimmte „gemeinsame Rituale“ irgendein ausgesprochen unbestimmtes „utopisches Potenzial“ erfahrbar machen.
Von all diesen sehr gut gemeinten theoretischen Versatzstücken, die das Programmheft zur Unterfütterung der Performance kredenzt, bleibt der...