In Metaphern denken
von Viola Schmidt
Erschienen in: Mit den Ohren sehen – Die Methode des gestischen Sprechens an der Hochschule für Schauspielkunst Ernst Busch Berlin (04/2019)
Unsere Fähigkeit, Metaphern zu bilden, zeigt, dass wir auf der Grundlage unserer Erfahrungen über Neues nachdenken können. Wir entdecken Verbindungen zwischen uns bekanntem und unbekanntem Wissen und bauen uns gedankliche Brücken. Metaphern sind sprachliche Bilder, sie übertragen Bedeutung in einen anderen Kontext und schaffen einen Übertragungseffekt zwischen begrifflich getrennten Sinn- und Sinnesbereichen. Wir müssen davon ausgehen, dass die Verbindung zwischen Laut und Bedeutung zunächst arbiträr ist. Ist eine solche Verbindung aber einmal in der Welt, kann sie willentlich metaphorisch benutzt werden. Anstatt von der Stelle, an der ein Ast abzweigt oder sich verzweigt, zu reden, ist es anschaulicher, von der Astgabel zu sprechen. Ist eine Metapher geboren, kann sie, wie der Eurorettungsschirm oder die Schuldenbremse, zunächst Aufsehen erregen. Mit der Zeit gewöhnen wir uns an sie. Sogenannte tote Metaphern wie Stuhlbein oder Buchrücken haben wir als feststehende Begriffe in unsere Sprache integriert. Bei einigen Metaphern bleibt uns das ursprüngliche Bild sogar zunächst verborgen, obwohl wir genau wissen, was gemeint ist. Die Formulierungen auf den Busch klopfen und durch die Lappen gehen sind dem Fachjargon der Jäger entnommen und beziehen sich einerseits auf das Herauslocken und andererseits auf das Entwischen der Beute. Die Bezeichnung springender Punkt verwenden wir für den entscheidenden...