Postmoderne Klassiker – Unterbrechung, Re-entry und Selbstreferenz
von Bernd Stegemann
Erschienen in: Lob des Realismus (05/2015)
„Wie bei allen Postmodernen gibt es wenig zu sehen und viel zu denken.“
Jean-François Lyotard29
Das Dogma postmoderner Ästhetiken besteht darin, Kunst, die etwas glauben machen will, als nicht zeitgemäß zu bewerten. Der „blöde Sausinn“, wie ihn Rainald Goetz einst humorvoll-böse bannen wollte, ist der ewige Rivale, der die Spiele der Sinnlichkeit stört. Wollte die moderne Kunst noch den Sinn dekonstruieren, um seine von Menschen gemachten Strukturen sichtbar zu machen – der klassische Verfremdungseffekt bei den russischen Formalisten wie bei Brecht –, so geht die Postmoderne noch einen entscheidenden Schritt weiter. Nicht mehr Dekonstruktion von Sinn, sondern Experimente mit der Sensibilität sind ihr Ziel, das sie nur verfolgen kann, wenn sie von jeder Sinngebung befreit werden. Doch da der Mensch unaufhörlich versucht, die Details seines Erlebens zu Geschichten zu formen und ihnen damit Sinn zuzusprechen, sind die Sensibilitätsspiele von der Realität ihrer Umwelt bedroht. Der Einbruch der Realität in das freie Spiel der Sensibilitäten wird zur Bedrohung, vor der selbst die raffiniertesten postmodernen Künstler nicht immer geschützt sind. So berichtet Lyotard von einer Tagung, bei der ein Künstler eine Montage aus Texten und Klängen präsentierte, die alle gezeichnet waren durch „das Leiden im Sinne von: deportiert, verwaist, emigriert, staatenlos....