Theater der Zeit

Magazin

kirsch kontexte: Vom Hundertsten ins Tausendste reisen

Oder: Wie sieht man im Getümmel?

von Sebastian Kirsch

Erschienen in: Theater der Zeit: Schauspiel oder Performance? – Walter Hess und Matthias Lilienthal über die Debatte um die Münchner Kammerspiele (02/2017)

„So sieht also Weltgeschichte in der Nähe aus; man sieht nichts“ – diesen schönen Satz liest man in einem Essay mit dem Titel „Das hilflose Europa“. Der Essay wurde 1922 publiziert, sein Autor hieß Robert Musil, und das hilflose Europa war eines, das gerade durch den Ersten Weltkrieg gegangen war. Aber der Befund könnte auch dieser Tage niedergeschrieben worden sein. Denn falls wir uns zurzeit in der Nähe von so etwas wie Weltgeschichte befinden sollten – und es spricht ja einiges dafür –, so bleibt doch alles seltsam diffus. Wieder einmal ist Europa hilflos, und trotz oder vermutlich gerade wegen all der Bilder, die weiterhelfen sollen, ist man von Schemen umgeben.

In der Nähe sieht man nichts. Das heißt ja vermutlich, dass man zu stark mittendrin, zu sehr ins Gewimmel getaucht ist, als dass man jene klaren Konturen und Verläufe ausmachen könnte, für die es der Abstandnahme und der Position des Gegenübers bedürfte. Aber: Ist es wirklich nichts, dieses Nichts, das man in der Nähe sieht? Kann man nicht auch sagen, dass hier nicht nichts, sondern anderes zu sehen ist? Musils Essay trägt immerhin den Untertitel „Reise vom Hundertsten ins Tausendste“ und das könnte in der Tat ein Hinweis auf...

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