Der gelöste Kiefer
von Viola Schmidt
Erschienen in: Mit den Ohren sehen – Die Methode des gestischen Sprechens an der Hochschule für Schauspielkunst Ernst Busch Berlin (04/2019)
Um Vokale zu bilden, müssen wir den Mund öffnen, das heißt den Unterkiefer lösen. Der Unterkiefer ist der einzige bewegliche Knochen unseres Schädels. Er ist mit dem Oberkiefer gelenkig verbunden und kann Bewegungen nach oben und unten, vorn und hinten und zu den Seiten ausführen. Diese Bewegungen dienen primär dazu, Nahrung aufzunehmen, zu zerkleinern und zu schlucken. Unsere Kaumuskulatur ist kräftig. Die Kaukraft der Backenzähne liegt bei etwa 1900 Newton. So viel Kraft benötigen wir, um eine 190 Kilogramm schwere Hantel zu stemmen.162 Andererseits ist das Zusammenspiel der den Kiefer bewegenden Muskeln komplex. Große und kleine Kaumuskelpaare und stabilisierende Bänder ermöglichen eine dreidimensionale Beweglichkeit des Unterkiefers, der mit seinen beiden Gelenkköpfchen in den Gelenkpfannen des Oberkiefers aufgehängt ist. Über jeweils eine Gelenkscheibe, den Diskus, wird der bei der Bewegung entstehende Druck gleichmäßig verteilt. Das Kiefergelenk befindet sich neben dem äußeren Gehörgang. Wenn wir einen Finger in den Gehörgang stecken und den Kiefer bewegen, spüren wir den Einfluss dieser Bewegung. Kiefer- und Kopfgelenk liegen nah nebeneinander. Dazwischen befinden sich Gehörgang und Ohr. Die Kopfhaltung entscheidet darüber, ob wir unseren Kiefer wirklich lösen können, sodass er nach unten hinten sinken kann. Eine gute Voraussetzung für die Lösung ist eine aus dem...