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Musik: Schönheiten am Rande
von Ulrike Rechel
Erschienen in: Theater der Zeit: Mirco Kreibich: Brüchiger Zeitspieler (06/2014)
New York ist zwar riesig, dennoch scheinen sich musikalische Abenteurer, die es jenseits etablierter Off-Kulturen drängt, früher oder später über den Weg zu laufen. Im Pyramid Club etwa, in dem sich zu Beginn des Jahrtausends eine queere Folk-Community formierte: mit theateraffinen Stars wie Antony Hegarty, Joan as Police Woman und CocoRosie. Der Club war auch lange das zweite Wohnzimmer der transsexuellen Baby Dee, die dort für Tanzeinlagen auf der Bar gebucht war. Auf dem stilprägenden Debütalbum von Antony and The Johnsons spielte Dee seinerzeit Harfe: ein Anstoß, um fortan eigene Songs aufzunehmen.
Seither hat die 1953 geborene Sängerin eine Reihe Alben veröffentlicht, die sich in der Popwelt so schwer einordnen lassen wie die Persönlichkeit der Künstlerin, die einst mit Straßenmusik und als Zirkus-Freak anfing, später Klavier und frühe Musik studierte, als Organistin in einer Kirche in der Bronx arbeitete und zwischenzeitlich gar als Baumpflegerin im entlegenen Umland von Cleveland tätig war. Inzwischen ist die 60-Jährige, die mit ihrem rauen Timbre ein wenig so wirkt wie eine verschollene Figur aus der „Dreigroschen- oper“, endgültig zu ihrem eigentlichen Metier als Sängerin zurückgekehrt und brachte zuletzt ein klassisch geprägtes, intimes Album heraus. Mancher fühlt sich angesichts ihrer skurrilen Geschichten samt Schlenkern in Musical-...