Die 1960er waren die große Zeit des Dokumentartheaters. Hochhuths „Stellvertreter“(1963), das Papst-Stück; „Die Soldaten“ (1967), das Churchill-Stück; „Juristen“ (1980), das Filbinger- Stück; Peter Weiss’ „Die Ermittlung“ (1965), Fortsetzung und Ergänzung des Auschwitz- Prozesses; „Vietnam-Diskurs“ (1968), Begleitstück der Studentenrevolte; Heinar Kipphardts „In der Sache J. Robert Oppenheimer“ (1964) zur Geschichte der Atombombe. Diese Stücke wurden damals auf den großen Bühnen gespielt, in West und Ost, sie ersetzten den Diskurs, den die Medien nur zögerlich aufnahmen, und sie wurden nicht als Theaterersatz empfunden.
Solche Stücke werden nicht mehr geschrieben, die Medien haben die Deutungshoheit über die Geschichte erkämpft; Geschichtsaufarbeitung findet, wenn überhaupt, nur noch in der Literatur statt, allenfalls im Kino, auch ein eher episches Genre. Das Theater hat sich spätestens mit der Wende, dem Tod der Utopien, immer mehr entpolitisiert, mit dem absurden Effekt, dass eigentlich alles zu Dokumentartheater geworden ist. Die Autoren beschreiben den Ist-Zustand der gesellschaftlichen Entwicklung, den „rasenden Stillstand“, dem die Zukunft abhandengekommen ist, sie „dokumentieren“ das tägliche Elend von Entfremdung und Ausplünderung, von Teilnahms- und Interesselosigkeit, das szenische Schreiben liefert die Dramaturgien, und die Regisseure bügeln die Geschichte glatt; die Urfehden der Menschheit, die unsere Konflikte kommentieren könnten, sind, von den attischen Königshöfen in die deutschen Vorortvillen...