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Der Fänger im Mais
Ein Showcase am Jaunimo teatras in Vilnius beschäftigt sich mit Kindheitsängsten und Machtfantasien
von Thomas Irmer
Erschienen in: Theater der Zeit: Theater Thikwa Berlin: Ungezähmtes Spiel (06/2018)
Das staatliche Jugendtheater Jaunimo teatras neu auszurichten, war das Ziel von Audronis Liuga, als er von der Intendanz des Nationaltheaters Vilnius an das kleinere Haus im historischen Zentrum der litauischen Hauptstadt wechselte. Für die erste Spielzeit lud er die dänische Regisseurin Kirsten Dehlholm sowie Árpád Schilling ein und holte Eimuntas Nekrošius in das Theater zurück, in dem dessen Karriere vor fast vierzig Jahren begann. Ein Showcase, den Liuga gemeinsam mit dem ebenfalls in Vilnius gelegenen OKT / Vilniaus miesto teatras von Oskaras Koršunovas ausrichtete, stellte die Arbeiten gemeinsam mit Inszenierungen jüngerer litauischer Regisseure vor.
Nekrošius, international bekannt vor allem durch seine philosophisch-metaphorischen Shakespeare-Inszenierungen, entwickelte ein Stück zu Leben und Werk der weißrussischen Nobelpreisträgerin Swetlana Alexijewitsch unter dem Titel „Zink“. In Zinksärgen kamen die Gefallenen aus Afghanistan in ihr Heimatland zurück. Die andere in dem Stück behandelte Katastrophe aus der späten Sowjetunion ist Tschernobyl. Doch es geht vielmehr um das Leben der Autorin, die sich in der einsamen Beschäftigung mit diesen Themen auch Angriffen von unerwarteter Seite ausgesetzt sieht. So werfen ihr Soldatenmütter vor, mit den Opfern im Westen gut Geld zu verdienen – und verdrehen das moralische Dilemma einer ganzen Gesellschaft, begleitet von deutlichen Untertönen postsowjetischer Gegenwartsmentalität. Diese für Nekrošius’...