Theater wird digitaler, das hat die Pandemie bewirkt. Einen umfangreichen Überblick über seine entsprechenden Ausweichbewegungen und Erkundungsritte im letzten Sommer und Herbst gewährt der Band 14 der Schriftenreihe zu Bildung und Kultur der Heinrich-Böll-Stiftung mit dem Titel „Netztheater. Positionen, Praxis, Produktionen“.
In dem gemeinsam mit dem Portal nachtkritik herausgegebenen Band sind die geläufigsten Beispiele von Theater im und mit dem Internet sowie mithilfe des Mobilfunknetzes versammelt. Dieser Dokumentationsteil ist verdienstvoll. Denn ein Manko der früheren Digitalisierungsexperimente darstellender Künstlerinnen und Künstler bestand in der fehlenden Weitergabe von Erkenntnissen und Irrtümern.
Etwas irritierend ist allerdings manch theoretisch-philosophischer Beitrag. Dort mischen sich individuelle Erfahrungen mit Wünschen und groß tönenden Behauptungen. Noch aus den 1990er Jahren scheinen die Aufforderungen zu stammen, das Theater in einen Hackspace zu verwandeln. Spätestens seitdem Donald Trump vor vier Jahren das Weiße Haus „hackte“ und als Reaktion darauf das Bewahren alter Werte als hohes kulturelles Gut gehandelt wurde, sollte die mindestens zweischneidige Natur des kreativen Ausnutzens von Sicherheitslücken erkannt und eben nicht gedankenlos heroisiert werden.
Auch der an mehreren Stellen hochschießende Jubel bezüglich angeblicher partizipativer Netz-Praktiken muss mit Vorsicht genossen werden. Partizipation und Interaktion sind meist nur innerhalb der vorgegebenen Spielräume und Narrationsarchitekturen möglich. Sehr hilfreich für die künftige...