1. Spielweisen
von Bernd Stegemann
Erschienen in: Kritik des Theaters (04/2013)
Wenn heute über Schauspielen nachgedacht wird, so zerfallen seine Tätigkeit wie seine Erscheinung in drei unterschiedliche Eigenarten. In ihrer Zuspitzung könnte man sie als Schauspielen, Schaufühlen und Schausein bezeichnen. Die Tätigkeit des Schauspielens kann alle drei Eigenarten in sich vereinen, sie kann aber heute manches Mal auch zutreffender als Schaufühlen oder Schausein beschrieben werden. Im Schauspielen als einer menschlichen Eigenschaft vereinigt sich die Fähigkeit zum Spielen mit der ästhetischen Differenz, im Spielen etwas zur Anschauung bringen zu können. Die Art, wie mit dieser Differenz gespielt wird, führt zu den unterschiedlichen Formen von Theater.
Spielen ist eine fundamentale Eigenschaft menschlicher Existenz und Kultur, dessen Ausformungen so variationsreich sind, dass jede einheitliche Definition »des Spielens« zum Scheitern verurteilt ist. Spielen kann das Gegenteil zum Ernst des Lebens sein, zur Anstrengung der Arbeit oder zur Langeweile des Alltags. Spielen ist dann Freiheit, Entfaltung der Lebensenergien oder zweckloses Tun, das sich gerade darin selbst genießen kann. Die Ziellosigkeit des Spielens, das seinen Zweck in seinem eigenen Vollzug hat, wird besonders in modernen Spieltheorien hervorgehoben. Durch die Regeln des Spiels entsteht eine begrenzte Sonderrealität, in der die Spielhandlungen im Vergleich zu den Handlungen der gesellschaftlichen Realität konsequenzvermindert sind. Die Verbindung von Konsequenzverminderung und Regelbegrenzung ergibt...