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Literatur: Vom Paradies über die Straße bis nach Shanghai
von Katrin Schuster
Erschienen in: Theater der Zeit: Je suis Charlie (02/2015)
Um nach Budapest zu gelangen, wo die Bäume voller Guaven hängen, muss man die große Straße überqueren, durch den Busch und am großen Stadion vorbei. Etwas länger dauert der Weg nach Shanghai, er führt an Budapest vorbei, Richtung Osten bis zum Steinbruch und ein Stück darüber hinaus. Diese buchstäblich verrückte Topografie stellt in dem Debütroman Wir brauchen neue Namen von NoViolet Bulawayo die Kindheitslandkarte der Ich-Erzählerin Darling dar; darauf auch ihr Zuhause, ein Slum namens „Paradise“, bewohnt von den Opfern des – will man Simbabwe, das Geburtsland der Autorin, als Vorbild gelten lassen – Regimes von Robert Mugabe. Auch Darlings Eltern wurden in dieses „Paradies“ vertrieben, mittlerweile lebt der Vater in Südafrika, um Geld zu verdienen, während die Mutter versucht, die Familie durchzubringen.
Da die Lehrer den scheiternden Staat längst verlassen haben, streunen Darling und ihre Clique alltäglich durch Paradise, Budapest und manchmal bis nach Shanghai, um ihren Hunger zu stillen, ihren Hunger nach Nahrung und Erfahrung, nach Leben und Liebe. Am liebsten spielen sie Krieg – sei’s abstrakt als Rivalität verschiedener Nationen, deren Grenzen mit einem Stock im Sand gezogen wurden, sei’s konkret mit ihren neuen Plastikspielzeugwaffen. Nicht nur Darling hofft auf eine Emigration in die USA, zu ihrer...