Die Schlacht bei Recklinghausen
von Rodrigo García
Erschienen in: Arbeitsbuch 2016: Castorf (07/2016)
Als Frank Castorf die künstlerische Leitung der Ruhrfestspiele Recklinghausen übernahm, luden er und Matthias Pees mich ein, bei dieser für die Stadt emblematischen Kulturveranstaltung zwei meiner Stücke zu zeigen.
Das Recklinghausen, zu dem wir reisten, war uns damals noch unbekannt (ich musste es in einem Atlas nachschlagen, so unwissend war ich und bin es noch heute). Wir freuten uns darauf, unsere Arbeit einem neuen Publikum zeigen zu können und nebenbei die Gesellschaft von Künstlern wie Frank und vielen anderen bewundernswerten Kollegen zu genießen.
Das Wort Boykott kannte ich aus dem Lexikon, aus Zeitungen und auch aus Geschichtsbüchern, es war mir aus mittäglichen Spionageserien vertraut und von Zeit zu Zeit hörte ich es in den Nachrichten. Allerdings hatte ich nie die Gelegenheit gehabt, an einem Boykott selbst, als Boykottierer, teilzunehmen geschweige denn, einen solchen am eigenen Leib zu erfahren.
Recklinghausen ermöglichte mir diese Erfahrung: Dort wurde ich schließlich Opfer eines authentischen Boykotts, einer kulturellen Ablehnung. Es war in etwa so, als würde man in ein Loch voller Scheiße fallen; wenn ich an Recklinghausen denke, kommt mir tatsächlich eine Szene aus dem „Decameron” von Pasolini in den Sinn: die erste Szene, in der der junge Mann auf dem mittelalterlichen Markt Handel treibt...