Ausland
Primitiver Herrscher im Frack
Krisen, Kriege, Theater – und Trump: Zur 56. Ausgabe des Theaterfestivals MESS in Sarajevo
von Senad Halilbasic
Erschienen in: Theater der Zeit: Wie es euch gefällt – Christian Friedel vertont Shakespeare (12/2016)
Neben den Aufführungen, den Begleitprogrammen und einem Theaterskandal wird das diesjährige Theaterfestival MESS in Sarajevo auch mit seinem Plakatsujet in der kollektiven Erinnerung des Festivalpublikums dieser kalten Oktobertage bleiben: Donald Trumps strenger Blick lauert drohend hinter den vier Buchstaben, die als bosnische Abkürzung für das „Festival für junge und experimentelle Bühnen Sarajevo“ stehen. Seine blonde, fragil wirkende Haarpracht dominiert das Bild und verweist in nahezu jeder Ecke der bosnischherzegowinischen Hauptstadt nicht nur auf das Festival, sondern auf die dunklen Zeiten, in denen wir leben. Der politische Rechtsruck, noch vor einigen Jahren als Damoklesschwert und dystopische Warnung in den europäischen Theatern verarbeitet, ist heute kein düsteres Zukunftsszenario mehr, sondern Realität. Das Plakatmotiv mit Trump ist eine ironisierende Erinnerung an den nationalistischen, homophoben und chauvinistischen republikanischen Präsidentschaftskandidaten. Wobei bei der Auswahl des Motivs sicher kaum jemand daran geglaubt hätte, dass er tatsächlich wenige Wochen später der gewählte Präsident der USA und somit einer der mächtigsten Menschen der Welt sein würde. Seine immense Popularität und die gewonnene Präsidentschaftswahl sind Zeugnis einer Gesellschaft, die sich angesichts der Krisen leichter denn je von simplen populistischen Lösungsvorschlägen verführen lässt.
Gegenwärtige globale Krisen und deren Diskurse auf den Bühnen bilden den kuratorischen Schwerpunkt des diesjährigen MESS, welches...