Henrik Ibsen „Ein Volksfeind“
von Bernd Stegemann
Erschienen in: Lob des Realismus (05/2015)
Henrik Ibsens zwölf Gesellschaftsstücke sind in der Blütephase des bürgerlichen Realismus entstanden. In ihnen stehen der Stil der realistischen Darstellung und die Methode des Realismus noch in einem lebendigen Verhältnis. Die zentralen Figuren dieser Stücke entstammen alle der bürgerlichen Klasse, die hier als die neue herrschende Klasse gezeigt wird. Sie kämpfen nicht mehr gegen den Adel und noch nicht gegen das Proletariat. Sie kämpfen gegen sich selbst. Der Bürger ist hier der neue Eigentümer, der sich in seinem frischen Wohlstand einzurichten versucht, dessen Anstrengungen aber von Widersprüchen durchzogen sind. Gerade aufgestiegen, droht schon wieder der Abstieg, gerade verheiratet, droht die Trennung, gerade erfolgreich, droht die Niederlage. Wie der Bürger sich in diesen neuen Kämpfen im Herzen der Mittelschicht schlägt, welche Formen seine Lebenslügen annehmen und welche Konsequenzen er zu tragen bereit ist, wird hier vorgeführt.
Die Dramen haben fünf Akte und entsprechen damit noch dem dramaturgischen Ideal, das die Klassik von der antiken Tragödie übernommen hat. In Gustav Freytags „Die Technik des Dramas“ aus der Mitte des 19. Jahrhunderts waren aus dieser Form endgültig praktische Regeln gemacht worden, die bis heute von jeder Drehbuchschule nachgebetet werden. Im ersten Akt wird der Hauptkonflikt exponiert, der im zweiten Akt durch einen parallelen...