Als „Oleanna“, ein Stück des US-amerikanischen Dramatikers David Mamet, nach seiner Uraufführung 1992 auch ostdeutsche Bühnen erreichte, stieß das Drama eine hierzulande kaum geläufige Thematik an. Zwar bestand in der DDR das Postulat von Gleichstellung und Gleichberechtigung, doch blieb die Praxis des Geschlechterverhältnisses oft dahinter zurück, die Gesellschaft war letztlich eine männerdominierte. Dass aber der Feminismus in der nunmehr erfahrbaren westlichen Welt mitunter derart unterscheidungslos vorgeht, verunsichert Männer. Die momentane mediale Hysterie lässt oft kein Urteil zu, wer zu Recht öffentlich angeklagt wird und wer nicht. Wann ist ein Flirt auch am Arbeitsplatz noch ein Flirt, wann wird er zur justiziablen Nötigung?
„Oleanna“ wird nicht erst seit der „Metoo“-Debatte für die Bühne wiederentdeckt. Trotzdem liest sich die aktuelle Fassung des jungen gebürtigen Zittauer Regisseurs Toni Burghard Friedrich, die bereits in Form und Besetzung bemerkenswert ist, unter den Vorzeichen der aktuellen Anklagewelle neu. Mit einigem Abstand zur Entstehungszeit wird deutlich, dass es in erster Linie gar nicht um ein vergiftetes Mann-Frau-Verhältnis geht.
„Ich muss diesen Schein unbedingt machen“, jammert Studentin Carol und sucht bei ihrem Professor John individuelle Nachhilfe. Gnadenloser Leistungsdruck baut Versagensängste auf, die Normen haben andere gesetzt, keine Spur von intrinsischer Motivation. In raffinierter Weise lässt David Mamet offen,...