Das Literarische als das Theater
von Joachim Fiebach
Erschienen in: Welt Theater Geschichte – Eine Kulturgeschichte des Theatralen (05/2015)
In der Vorstellung, dass Kunst die den Sinnen gegebene Ordnung der Welt möglichst wahrheitsgemäß, in ihren wirklichen Gestalten abzubilden habe, und im rationalistischen Diktat, wie das zu realisieren sei, äußerte sich der kompromisslose, historisch neue (moderne) Drang, das „wirkliche Sein“, die wahre Beschaffenheit der Dinge zu erkennen. Dieses war das neue moderne wissenschaftliche Denken, das radikal gegen das bloße Vermuten, den bloßen Glauben kämpfte, gegen alles Trügerische, Falsche, gegen die Idole, wie es Francis Bacon, einer der Begründer modernen wissenschaftlichen Denkens, nannte. Für ihn waren das Finden von Wahrheit, neue Einsichten in das Wirken der Dinge, das Erfinden neuer Mechanismen zum Nutzen der Menschen entscheidende Aufgaben. Dafür, schrieb er, bräuchte man die richtige Auffassung und den entsprechenden Gebrauch der „Autorität der Sinneswahrnehmung und des Verstandes“.32 Der Forschende müsse mit Idolen und falschen Begriffen kämpfen, Idolen, die vom „menschlichen Verstand Besitz ergriffen haben und tief in ihm wurzeln“. Bacon sieht vier Arten dieser Idole, darunter das „Idol des Theaters“. Als Theater galten im 16. und 17. Jahrhundert Bereiche/Felder/Räume, in denen Sachverhalte anschaulich dargeboten, „aufgelistet“ werden, von Büchersammlungen bis zu botanischen und medizinischen Übersichten.33 Darunter fiel für Bacon auch die Bühnenkunst. Dichtungen des Theaters, daher Idole des Denkens, haben...