Der neue Leiter begrüßt die Massen, die vor dem Nationaltheater zusammenströmen. Der Platz ist gut gefüllt, als der in Frack und Zylinderhut gekleidete Rolf C. Hemke das diesjährige Kunstfest Weimar eröffnet – und zugleich Teil des von ihm erdachten und von Nurkan Erpulat inszenierten „Reichstags-Reenactment“ wird. Die zur Beteiligung aufgerufene Bevölkerung tummelt sich um das der deutschen Kulturnation gewidmete Goethe-Schiller-Denkmal vor dem Nationaltheater, das nicht nur 1919 die verfassungsgebende Versammlung beherbergte, sondern ein paar Jahre später auch den ersten Reichsparteitag der NSDAP. Der „Mythos Weimar“, wie Peter Merseburger es nannte, bestand in der Verbindung von Geist und Macht – und glücklich war diese Verbindung keineswegs immer.
Bei der Eröffnung wurde zunächst das berühmte Foto vom Auszug der Abgeordneten nachgestellt. Hüte wurden verteilt, um zumindest etwas historische Ähnlichkeit zu erzeugen, eine riesige schwarz-rot-goldene Fahne wehte über dem Balkon. Der Regisseur arrangierte per Mikrofon, die Fotografen knipsten. Ein Wiederkehr des „Ornaments der Masse“ (Siegfried Kracauer) als historisches Zitat? Eine Menge, die sich zu Bildern arrangiert, in denen sie sich selbst bestaunt und beklatscht – ähnlich wie bei Milo Raus „Sturm auf den Reichstag“? Ein zur Kunstaktion erhobenes Signum der herrschenden Selfie-Kultur? Es bleibt Ratlosigkeit.
Nach dem Fototermin rief Hemke dazu auf, das...