In Inszenierte Wirklichkeit. Kapitel einer Kulturgeschichte des Theatralen betont Joachim Fiebach die Bedeutsamkeit von Theater und theatralem Handeln für das Etablieren und Bewahren hierarchischer Strukturen in einer Gesellschaft:
Dieses Buch mustert theatrale Praktiken, mit denen sich gesellschaftliche Macht- und Herrschaftsverhältnisse realisieren und, besonders, zu legitimieren suchen, und denen sich, gleichsam auf der anderen Seite, Haltungen und Bewegungen manifestieren, die sich diesen Verhältnissen entziehen möchten oder gegen sie angehen. Anders beschrieben wären solche Tätigkeiten „inszenierte Wirklichkeiten“.77
Obwohl „Macht- und Herrschaftsverhältnisse“ in manchen Ohren ungewohnt klingt, wird mit ihrer Kontextualisierung eine weitreichende Komponente theatralen Schaffens deutlich: Es wird von den diskursanführenden Eliten genutzt, um ihre Vormachtstellung und deren Regularien zu untermauern.
Fiebach beschreibt in Inszenierte Wirklichkeit in erster Linie theatrale Praktiken jenseits der klassischen Theaterbühnen, dort, wo Theatralität im Alltäglichen zur Kennzeichnung und Stabilisierung von Hierarchien Anwendung findet. Allerdings ist nicht von der Hand zu weisen, dass die deutschen Staats-, Landes- und Stadttheater selbst Orte par excellence sind, an welchen Macht- und Herrschaftsverhältnisse öffentlich zelebriert und legitimiert werden. Die elitäre Haltung des bürgerlichen Publikums ist allseits bekannt. Trotz der vielen Versuche, die Theaterfoyers auch bildungsfernen und marginalisierten Gruppen zugänglich zu machen, wird insbesondere das Sprechtheater in erster Linie von einem klassisch-bourgeoisen...