Theater der Zeit

Wahrnehmungstäuschungen

von Viola Schmidt

Erschienen in: Mit den Ohren sehen – Die Methode des gestischen Sprechens an der Hochschule für Schauspielkunst Ernst Busch Berlin (04/2019)

Abb. 16 Hermann-Gitter (links), Abb. 17 Hasen-Enten-Kopf (rechts)
Abb. 16 Hermann-Gitter (links), Abb. 17 Hasen-Enten-Kopf (rechts)Foto: Philipp Kronenberg

Eingehende Wahrnehmungsreize werden zerlegt, analysiert und wieder zusammengesetzt. Durch Spezialisierung gelingt es unserem Gehirn, unterschiedliche Sinneseindrücke zeitgleich zu verarbeiten. Modulare Einzelinformationen werden zu einem Gesamterleben verbunden. Die Module stehen in ständigem Kontakt und beeinflussen sich gegenseitig nach dem Prinzip der Aktivierung und Hemmung. Bei diesem Integration genannten Vorgang kann es zu Wahrnehmungstäuschungen kommen, wie wir sie z. B. im sogenannten Hermann-Gitter vorfinden (vgl. Abb. 16).

Bei einer optischen Wahrnehmungstäuschung nehmen wir die Umwelt nicht mehr so wahr, wie wir es erwartet haben, bzw. gibt es hier immer mindestens zwei andere Möglichkeiten. Die Informationsmenge wird reduziert, um schneller verarbeitet werden zu können, und aufgrund unserer Erfahrungen ergänzt oder konstruiert. Im Hermann-Gitter sehen wir zwischen den schwarzen Vierecken graue Punkte, die verschwinden, wenn wir unseren Blick auf eines der Vierecke fokussieren. Wir können unsere Wahrnehmung steuern, indem wir unsere Aufmerksamkeit richten. Diese Fähigkeit ermöglicht es uns, auf einer Party mit hohem Geräuschpegel einzelne Stimmen herauszuhören, zu identifizieren und den semantischen Informationsgehalt eines Gesprächs zu erkennen. Der britische Kognitionswissenschaftler und Ingenieur Colin Cherry untersuchte das „Cocktailparty-Problem“ Anfang der 1950er Jahre. Er fand heraus, dass beim zeitgleichen Hören von zwei unterschiedlichen gesprochenen Texten, die dem linken und rechten Ohr per Kopfhörer angeboten werden, nur...

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