Magazin
kirschs kontexte: Noch ein Wort zu „Baal“
von Sebastian Kirsch
Erschienen in: Theater der Zeit: Jürgen Holtz – Schauspieler und Scharfdenker (04/2015)
Ja, ein Wort zu „Baal“ sei noch gestattet, aber nicht zu Frank Castorfs Inszenierung (die ich nicht gesehen habe), und auch nicht zu der neuesten Posse, die der Clan der Brecht-Verwalter mit dem Verbot der Arbeit wieder einmal geliefert hat. Die Gelegenheit ist vielmehr günstig, um noch einmal an das andere, ebenfalls bei Erscheinen qua Erbschaftsrecht verbotene „Baal“-Produkt zu erinnern: Volker Schlöndorffs Film von 1969, mit dem 24-jährigen Rainer Werner Fassbinder, letztes Jahr zum ersten Mal wieder gezeigt. Es stimmt (und ist nach der Wiederaufführung auch öfter geschrieben worden): Man kann diesen „Baal“ guten Gewissens feiern. Und zwar nicht nur, weil Fassbinder vielleicht der einzige Schauspieler ist, dem man abnimmt, dass er das Gedicht „Vom ertrunkenen Mädchen“ geschrieben haben könnte. Gerade wenn man Schlöndorffs Version heute wiedersieht, ist faszinierend, dass man in ihr einfach nicht die verdrucksten, verklemmten und geduckten Körper zu Gesicht bekommt, die für das sonstige deutsche Kino postfaschistischer Provenienz so typisch sind. Oder genauer: Man kann richtiggehend sehen, wie dieses Körpersystem aufbricht; eine echte Öffnung (von der im durchschnittlichen deutschen Film unserer Tage freilich nicht mehr viel zu sehen ist: Man vergleiche den Fassbinder-„Baal“ mit dem von Matthias Schweighöfer, 2003, von den Brecht-Erben nicht verboten).
Allerdings: Eine...