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kirschs kontexte: Ausverkauf in Sachsen
von Sebastian Kirsch
Erschienen in: Theater der Zeit: Robert Wilson: Göttliche Monster (03/2014)
„Was ist ein Einbruch in eine Bank gegen die Gründung einer Bank?“, so lautet die Frage aus Brechts „Dreigroschenoper“, deren Bekanntheitsgrad freilich leicht den Blick auf den mitschwingenden Benjamin’schen Gedanken verstellen kann: Die Gewalt von Gründungsakten, so lässt sich Brechts Formulierung nämlich lesen, ist allemal größer und von einer anderen Qualität als jedwede Gewalt, die sich im Rahmen bereits gegründeter Ordnungen abspielt – und sei die Erstere noch so unscheinbar und die Letztere noch so offensiv. Das heißt zum Beispiel, ins Feld der Kunst übersetzt: Die größte Kraftanstrengung, das wildeste Bühnenspektakel – sie bleiben ohnmächtig, solange sie den Rahmen bestehender Ästhetiken intakt lassen, während die Neudefinition dieses Rahmens vielleicht nur eine winzige Verrückung bedeuten mag und dennoch unendlich größere Kraft entfalten wird. Denn nur in diesem Fall wird man es mit jener „rechtsetzenden Gewalt“ zu tun bekommen, die Walter Benjamins Essay „Zur Kritik der Gewalt“ einer „rechtserhaltenden Gewalt“ gegenüberstellte.
Daran hat sich auch im Jahr 2014 nichts geändert, selbst wenn man meint, die Brecht’sche Frage angesichts der europäischen Gegenwart umformulieren zu müssen: „Was ist die Gründung einer Bank gegen die Rettung einer Bank?“ Doch wie viele Abermilliarden Euro auch immer noch in Banken fließen mögen, die sich derartig verspekuliert haben,...