1.1. Träumen oder Wachen?
von Sebastian Kirsch
Erschienen in: Das Reale der Perspektive – Der Barock, die Lacan’sche Psychoanalyse und das ‚Untote‘ in der Kultur (07/2013)
Zunächst also zu jenem Begriff, der innerhalb der rationalistischen Strömungen des 17. Jahrhunderts ein Zentrum der Auseinandersetzung bildet und der zugleich für die Sphäre des Traums konstitutiv ist: der Begriff der Imagination oder Einbildungskraft. Welchen Stellenwert bekommt er im Zeitalter des Barock?
In der »Ordnung der Dinge« behandelt Foucault die Imagination in enger Verbindung mit dem Statuswechsel der Ähnlichkeiten um 1600. In diesem Zusammenhang unterscheidet er zwei »Richtungen der Analyse, die sich während des ganzen klassischen Zeitalters erhalten haben und sich immer nähergekommen sind, um schließlich in der letzten Hälfte des 18. Jahrhunderts ihre gemeinsame Wahrheit in der ›Idéologie‹ zu äußern.«16 Auf der einen Seite entwickle das 17. Jahrhundert eine »Analyse der Natur«, auf der anderen eben eine »Analyse der Imagination«. Beide Techniken konkurrieren zwar miteinander, bedingen sich aber auch wechselseitig und wohnen einander inne – eine uns mittlerweile hinlänglich bekannte Konstellation. Die »Analyse der Natur«, die den Empirismus von Francis Bacon, Hobbes oder Locke prägt und die Methoden der Feldforschung begründet, zielt darauf, das Sichtbare zu sammeln, ohne dabei bereits Zusammenhänge und Verknüpfungen zwischen den einzelnen Teilen herzustellen. Es handelt sich also um einen – scheinbar – »objektiven« Analysemodus: Der Forscher soll das sinnlich Erfahrbare in unbearbeiteter, zusammenhangloser, »zerstückelter«...