Zusammenfassung, Ausblick und Desiderata
von Julia Kiesler
Erschienen in: Recherchen 149: Der performative Umgang mit dem Text – Ansätze sprechkünstlerischer Probenarbeit im zeitgenössischen Theater (09/2019)
Konstatiert Fischer-Lichte im Jahr 2010, dass die Erforschung von Probenprozessen ein ausgesprochenes Desiderat darstellt (vgl. Fischer-Lichte 2010, 99), kann heute festgestellt werden, dass sowohl die Theaterwissenschaft als auch die Sprechwissenschaft als zwei unterschiedliche Disziplinen, die sich dem Gegenstandsbereich des Theaters widmen, begonnen haben, sich der Beobachtung und Analyse von Probenprozessen zu verschreiben. Die theoretisch und empirisch bearbeiteten Themen der vorliegenden Arbeit sollen einen Beitrag zum sich neu etablierenden Gebiet der Probenprozessforschung leisten.
Die interdisziplinär angelegte Studie untersuchte den Erarbeitungsprozess von Texten sowie den Umgang mit gesprochener Sprache innerhalb von drei verschiedenen Probenprozessen im zeitgenössischen deutschsprachigen Theater. Anhand der Analyse verschiedener beobachteter Herangehensweisen wurde die Definition für einen „performativen Umgang mit Text und gesprochener Sprache“ herausgearbeitet. Die aus der Entwicklung dieser beobachteten und analysierten Texterarbeitungsverfahren hervorgegangenen vielstimmigen und polysemantischen Erscheinungsformen wurden einer performativen Spielpraxis zugeordnet, die zum einen eine veränderte Perspektive auf Prozesse des Darstellens und Sprechens auf der Bühne wirft, zum anderen den Schauspielerinnen und Schauspielern bestimmte Fähigkeiten abverlangt.
Die wichtigsten Erkenntnisse lassen sich wie folgt zusammenfassen: Allein innerhalb der drei untersuchten Probenprozesse ließ sich eine große Bandbreite an Figurenkonzepten beobachten, die auf unterschiedliche Art und Weise die Einheit von Rolle und Schauspieler/-in infrage gestellt haben. Beobachtet und untersucht wurden:...