Recherchen 149
Der performative Umgang mit dem Text
Ansätze sprechkünstlerischer Probenarbeit im zeitgenössischen Theater
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Assoziationen: Julia Kiesler
Danksagungen
An erster Stelle möchte ich all den Menschen danken, die sich dazu bereit erklärt haben, dass ich ihre Probenprozesse beobachten und ihnen bei ihrer Arbeit über die Schulter schauen durfte. …
von Julia Kiesler
Einleitung
Ich hatte einmal die Illusion, theatralisches Wissen sei etwas, das man sich aneignen und dann besitzen könne. Also schaute ich mich um. Zuerst ging ich zu einem, der noch lebte. …
von Julia Kiesler
Forschungslage
1 Zum Begriff des zeitgenössischen Theaters
Vor dem Hintergrund der Performativität kultureller Prozesse untersucht die vorliegende Studie nicht in erster Linie Aufführungsprozesse, sondern Probenprozesse unter dem Aspekt der Texterarbeitung. Es werden performative Ansätze der Textarbeit herausgearbeitet …
von Julia Kiesler
2 Semiotische und performative Perspektiven
Nicht nur, dass beim Sprechen etwas gesagt und beim Gegenüber ein Eindruck hinterlassen wird, ist von Bedeutung, sondern auch die Tatsache, dass im Sprechen und durch das Sprechen die soziale …
von Julia Kiesler
3 Theorie des Performativen
3.1 Begriffsverständnis Seit den 1990er Jahren tritt innerhalb kulturwissenschaftlicher Debatten neben den Begriff der „Theatralität“ der Begriff der „Performativität“. Wie Fischer-Lichte schreibt, lassen sich beide Begriffe nicht immer klar voneinander …
von Julia Kiesler
4 Klassifizierung von Spiel- und Sprechweisen
4.1 Realistische, epische, performative Spielweisen Die Darstellungsformen von Schauspielerinnen und Schauspielern lassen sich für das zeitgenössische deutschsprachige Theater mit einer vorgeschlagenen Klassifikation von Bernd Stegemann in realistische, epische und performative …
von Julia Kiesler
5 Fazit: Der performative Umgang mit dem Text – Versuch einer Definition
In den vorangegangenen Ausführungen wurde deutlich, dass sich sprechwissenschaftliche und theaterwissenschaftliche Untersuchungen auf verschiedene Fachtermini stützen, die es – will man sich im Feld beider Fachdisziplinen bewegen – zu beleuchten …
von Julia Kiesler
Methodendesign
1 Theaterproben als Untersuchungsgegenstand
1.1 Forschungsansatz, Fragestellungen und Zielsetzungen Der Fokus neuerer theaterwissenschaftlicher Untersuchungen wird nicht mehr nur auf die Analyse von Inszenierungen und Aufführungen gelegt, sondern zunehmend auch auf die Beobachtung von Probenprozessen. …
von Julia Kiesler
2 Probenprozessbeobachtung
2.1 Teilnehmende Beobachtung Mit der teilnehmenden Beobachtung greift meine Untersuchung auf eine Methode der qualitativen Sozialforschung zurück, die Flick definiert als „eine Feldstrategie, die gleichzeitig Dokumentenanalyse, Interviews mit Interviewpartnern und …
von Julia Kiesler
3 Probenprozessanalyse
3.1 Grundsätzliches zur qualitativen Datenanalyse Sowohl die Dokumentation als auch die Analyse von Probenprozessen hat viel gemeinsam mit der Arbeit eines Feldforschers bzw. einer Feldforscherin. „There are many similarities between …
von Julia Kiesler
Konzeptionelle und inszenatorische Aspekte dreier Probenprozesse
1 Konzeptionelle Aspekte der Probenarbeit von Laurent Chétouane im Rahmen des Workshops „Shakespeare-Sonette“ an der Hochschule der Künste Bern
Egal ob Leseprobe des Textes in verteilten Rollen, Erläuterung einer ersten Rollenkonzeption, inhaltliche Analyse des Textes, Diskussion möglicher Interpretationen oder Vorstellung des Grundkonzepts der Inszenierung – immer geht es um …
von Julia Kiesler
2 Konzeptionelle Aspekte der Produktion Biedermann und die Brandstifter von Max Frisch in der Regie von Volker Lösch am Theater Basel
Der zweite beobachtete Probenprozess fand vom 9. Januar bis 27. Februar 2014 im Rahmen der Inszenierung Biedermann und die Brandstifter von Max Frisch in der Regie von Volker Lösch am …
von Julia Kiesler
3 Konzeptionelle Aspekte zur Faust-Inszenierung von Claudia Bauer am Konzerttheater Bern
Der dritte Probenprozess wurde im Rahmen der Inszenierung zu Goethes Faust. Der Tragödie erster Teil in der Regie von Claudia Bauer am Konzerttheater Bern im Zeitraum vom 12. bis 28. …
von Julia Kiesler
4 Fazit: Aspekte performativer Situationsanordnungen
Vergleicht man die drei Produktionen miteinander, so lassen sich einige Unterschiede, aber auch Gemeinsamkeiten in Bezug auf konzeptionelle Situations- und Figurenaspekte feststellen, die zu einem erweiterten Verständnis für Situations- und …
von Julia Kiesler
Die Behandlung des Textes als Material
1 Problemstellung
Text kann als Vehikel verstanden werden, mit dem Bedeutungen vermittelt werden, und zugleich als Instanz gelten, die sich gegen eine beliebige Auslegung verwehrt. Text kann als sprachliches Kunstwerk erscheinen oder …
von Julia Kiesler
2 Kontingenz als Kennzeichen einer entstehenden Textfassung
2.1 Textauswahl, Textreihenfolge, Textzuschreibung Das Textkorpus des Workshops von Laurent Chétouane bilden die 154 Sonette William Shakespeares. Im Unterschied zu den beiden anderen Produktionen gibt es hier keine vorab getroffene …
von Julia Kiesler
3 Intertextuelle Arbeitsweisen
3.1 Intertextualität: Charakteristik des Begriffs Zwei der drei von mir untersuchten Probenprozesse weisen Arbeitsmethoden und Inszenierungstechniken auf, die den Schreibweisen von Autoren postdramatischer Theatertexte entsprechen. Postdramatische Theatertexte, beispielsweise von Elfriede …
von Julia Kiesler
4 Kompositionsprozesse
4.1 Der Text als Partitur Literarische Texte können immer auch als Partitur für das Sprechen und gestische Verhalten gelesen werden. „Ihre Interpunktion ebenso wie andere textuelle Zeichen (Typographie, Absätze, Versmaße …
von Julia Kiesler
5 Fazit: verstärkte Autorschaft von Schauspieler/-innen und Regieteams
Die Behandlung des Textes als Material bringt ein performatives Verständnis der Textarbeit hervor, insofern es hierbei nicht um die Vermittlung oder Wiedergabe einer in der Textvorlage vorgegebenen Bedeutung geht, sondern …
von Julia Kiesler
Performative Ansätze der Textverarbeitung
1 Einführung ins Kapitel
Die „Übersetzung“ des Literaturtextes in den Bühnen- oder Theatertext ist nicht nur ein Problem der Inszenierung von Bühnenereignissen. Es ist auch ein Problem für die Schauspielausbildung. Das „Sprechen auf der …
von Julia Kiesler
2 Methodischer Referenzrahmen
Die Auseinandersetzung mit verschiedenen Ansätzen der künstlerischen Texterarbeitung, sei es innerhalb der Schauspielausbildung, sei es eher im sprechwissenschaftlichen Kontext, bringt neben vielen Unterschieden auch einige Parallelen und Durchmischungen hervor, die …
von Julia Kiesler
3 Interperformative Bezüge
3.1 Zum Begriff der Interperformativität Jedes Betreten einer Probebühne ist unweigerlich mit dem verbunden, was dort bereits geschehen ist, einem Fundus ehemaliger Inszenierungen, abgelegter Formen, verworfener Ideen. Und wie der …
von Julia Kiesler
4 Sprechen auf der Basis von Nicht-Wissen: methodische Aspekte der Textarbeit im Probenprozess von Laurent Chétouane
4.1 Grundannahmen Chétouanes Arbeiten sind dadurch gekennzeichnet, dass sie sich nicht auf eindeutige Bedeutungen oder Interpretationen festlegen lassen. Ihn interessiert vielmehr die Frage, wie man Pluralität erzeugen kann und wie …
von Julia Kiesler
5 Die musikalische Arbeit am Text: Musikalisierungsprozesse in den Probenarbeiten von Claudia Bauer, Peer Baierlein, Volker Lösch und Bernd Freytag
Musikalisierungsprozesse standen in den von mir beobachteten Produktionen einerseits im Zusammenhang mit der chorischen Arbeit am Text, die unterschiedliche Formen des Chorsprechens wie das synchrone Sprechen oder das polyphone Sprechen …
von Julia Kiesler
6 Weitere methodische Aspekte der chorischen Textarbeit
Prozesse des Musikalisierens und Rhythmisierens spielen, wie im vorangegangenen Kapitel dargelegt, im Rahmen der chorischen Textarbeit immer eine wichtige Rolle. Sie sind jedoch nicht ausschließlich an die chorische Arbeit am …
von Julia Kiesler
7 Intervokale Herangehensweisen
7.1 Zum Begriff der Intervokalität Vielstimmige Formen des Spielens und Sprechens entstehen nicht nur als Resultat der chorischen bzw. musikalischen Arbeit am Text, wie sie in den vorangegangenen Kapiteln vorgestellt …
von Julia Kiesler
8 Die Trennung von Spiel und Sprache
Die Trennung von Spiel und Sprache als ein zentrales Element von Claudia Bauers Faust-Inszenierung am Konzerttheater Bern wurde im Rahmen der Beschreibung musikalischer und intervokaler Herangehensweisen mehrfach erwähnt (vgl. u. …
von Julia Kiesler
9 Dimensionen performativer Texterarbeitungsansätze und ihrer vielstimmigen und polysemantischen Erscheinungsformen
Die in dieser Studie untersuchten Ansätze der Textarbeit bringen verschiedene vielstimmige und polysemantische Sprechweisen als Erscheinungsformen einer performativen Spielpraxis hervor. Es wurden Formen des chorischen, polyphonen, intervokalen und mikrofonierten Sprechens …
von Julia Kiesler
Sprechkünstlerische Phänomene
1 Rhythmus als sprechkünstlerisches Phänomen
Texte müssen zu einer Realität werden, die nicht einfach abbildet, sondern die Sehnsucht oder Ahnung eines möglichen anderen nahe bringt. […] Der Text darf nicht als Mitteilung, als Information transportiert …
von Julia Kiesler
2 Zäsur, Pause und Sprechgeschwindigkeit als sprechkünstlerische Phänomene
Bernd Freytag setzt das künstlerische Stilmittel der Zäsur „extrem gerne gegen den Sinn“ (Lösch in: Interview 3, 19). Auf diese Weise wird die Zäsur auf phänomenologischer Ebene autonom wahrnehmbar. Das …
von Julia Kiesler
3 Stimmklang als sprechkünstlerisches Phänomen
Im sprechwissenschaftlichen Verständnis ist der Stimmklang ein Merkmal des Sprechausdrucks bzw. ein Merkmal des Gesprochenen. Die Stimmqualität ist stark individuell geprägt und gilt als Signal bzw. Teilsignal für den Ausdruck …
von Julia Kiesler
4 Fazit: die performative Funktion sprechkünstlerischer Phänomene
Durch den Einsatz der sprechkünstlerischen Gestaltungsmittel als sprechkünstlerische Phänomene wird eine ästhetische Erfahrung im Theater bzw. Sprechen als Erlebnis überhaupt erst möglich. Hier eröffnet sich in der Form ein Inhalt. …
von Julia Kiesler
Fähigkeiten füe eine performative Spielpraxis
1 Zwischen Virtuosität und Persönlichkeit
Für das Theater der Zukunft haben wir keine fertigen Rezepte – wir kennen weder die Zutaten noch die Zubereitungsverfahren von morgen. Wichtig ist daher, die Arbeitsprozesse, Herangehensweisen und die Frage, …
von Julia Kiesler
2 Bewusstsein für ein relationales Raumkonzept und performatives Situationsverständnis
Wie im Kapitel „Konzeptionelle und inszenatorische Aspekte dreier Probenprozesse“ dargelegt, arbeiten die in dieser Studie untersuchten Probenprozesse mit verschiedenen und wechselnden Situations- und Raumkonzepten. Dementsprechend sollte sich auch die Schauspielausbildung …
von Julia Kiesler
3 Offenheit und Erlebnisbereitschaft als Gelingensbedingungen für die Entfaltung eines transformatorischen Potentials
Die Kategorie der Offenheit und Transparenz, die Bestandteil jeder Schauspielausbildung ist, erweist sich im Rahmen performativer Spielpraktiken in noch höherem Maß als Voraussetzung, damit die Entfaltung eines transformatorischen Potentials gelingen …
von Julia Kiesler
4 Reflexionsfähigkeit und Autorschaft als Kompetenzen der Schauspielerpersönlichkeit
Nicht nur die drei in dieser Studie untersuchten Probenprozesse, sondern generell die Produktionen des zeitgenössischen Theaters bringen eine „Multiperspektivität des Darstellens“ (Kurzenberger 2011, 81) hervor und bedienen sich unterschiedlicher Spiel- …
von Julia Kiesler
5 Bewusstsein für verschiedene Spiel- und Sprechweisen und deren Brüche
Will sich die Schauspielausbildung, wie Stegemann schreibt, im „Dreieck aus realistischem Schauspielen, epischem Spiel und performativem Spiel“ bewegen (vgl. Stegemann 2011, 104), muss sie sich mit verschiedenen Figurenkonzepten auseinandersetzen. Neben …
von Julia Kiesler
6 Kompetenzen für einen performativen Umgang mit Texten und gesprochener Sprache
Zur Fähigkeit, sich unterschiedlicher Spiel- und Sprechweisen bedienen zu können, gehört auch das Chorsprechen. Innerhalb einer Gruppe aufeinander zu hören, gedankliche und körperliche Spannung von einem oder mehreren Partnern abzunehmen …
von Julia Kiesler
7 Umgang mit Emergenzen und den Ambivalenzen von Tun und Nicht-Tun
Performative Prozesse vollziehen sich im Wechselspiel von Planung und Emergenz (vgl. Fischer-Lichte 2012, 77). Diese Unvorhersehbarkeit spiegelt sich vor allem in der Probenarbeit von Laurent Chétouane wider. Wie die vorangegangenen …
von Julia Kiesler
8 Fazit: Rückschlüsse für die Schauspielausbildung
Der Umgang mit Emergenz sowie mit Ambivalenzen von Tun und Nicht-Tun, von Kreieren und Dekonstruieren ebenso wie Fähigkeiten zur Entfaltung einer transformatorischen Kraft gehören zu den Kernkompetenzen performativer Praktiken des …
von Julia Kiesler
Zusammenfassung, Ausblick und Desiderata
Konstatiert Fischer-Lichte im Jahr 2010, dass die Erforschung von Probenprozessen ein ausgesprochenes Desiderat darstellt (vgl. Fischer-Lichte 2010, 99), kann heute festgestellt werden, dass sowohl die Theaterwissenschaft als auch die Sprechwissenschaft …
von Julia Kiesler
Quellenverzeichnis
Aderhold, Egon (1995): Das gesprochene Wort. Sprechkünstlerische Gestaltung deutschsprachiger Texte. Henschel Verlag. Berlin. Aderhold, Egon (2007): Sprecherziehung des Schauspielers. 6. Auflage. Henschel Verlag. Berlin. Aderhold, Egon/Wolf, Edith (2002): Sprecherzieherisches Übungsbuch. …
von Julia Kiesler
Anhang
Anhang 1: Probenprotokollbeispiel aus der Probenprozessbeobachtung zu Biedermann und die Brandstifter (Max Frisch) in der Regie von Volker Lösch am Theater Basel Zweite Chorprobe am 10. Januar 2014, 18.00–20.40 Uhr …
von Julia Kiesler