Auffallend oft ist in diesem Band von Vulnerabilität, zu Deutsch Verwundbarkeit, die Rede. Der Schweizer Autor und Regisseur Boris Nikitin beschreibt den Akt der Selbstveröffentlichung, das „Outing“, als gemeinsamen Kern jeder öffentlichen Äußerung, egal ob persönlich oder künstlerisch. „Es ist eine Wette mit der Zukunft, ein Schritt ins Leere.“
Eine Wette mit der Zukunft – so ließen sich auch die Erfahrungen bezeichnen, die Kulturinstitute in aller Welt im Pandemiejahr 2020 gemacht haben. Der vom Impulse-Festival edierte Sammelband „Lernen aus dem Lockdown?“ versammelt entsprechende Beiträge freier Theatermacher und -exper- ten. Wird beispielsweise das Theater nach der Besiegung des Virus irgendwann wieder das alte sein? Wird man diesen Albtraum vergessen haben? Oder handelt es sich um eine Zäsur, die das Theater komplett verändert, etwa dergestalt, dass man künftig nur noch ausnahmsweise eine Spielstätte persönlich aufsucht, weil man die herdenmäßige Zusammenballung von Körpern in einem Raum als unzeitgemäß empfindet, sich ansonsten die Produktionen auf den eigenen Rechner servieren lässt? Wird das Theater umfassend digitalisiert werden, und ist der Lockdown der Probelauf dafür?
Diese Vorstellung erscheint (noch) absurd. Vor der Pandemie wäre niemand auf die Idee gekommen, die physische Präsenz in einem Theater infrage zu stellen. Die Fotografien, die den Band illustrieren, unterstreichen die...