Schauspielen in der Postmoderne
von Bernd Stegemann
Erschienen in: Recherchen 105: Wie? Wofür? Wie weiter? – Ausbildung für das Theater von morgen (03/2014)
„Selfmanagement is the last hope of capitalism.“ Graffiti an einem Bauzaun in San Francisco2
1. Postmoderne Gegenwart
Wenn wir alle Theater spielen, stellt sich die Frage, was dann der Schauspieler macht. Wenn die Postmoderne die gesellschaftliche Realität in ein komplexes Spiel verwandelt, spricht sie zugleich dem Theater seine mimetische Kraft ab. Die Arbeit des Schauspielens soll nicht mehr darin bestehen, ein Verhältnis zwischen der spielerischen Hervorbringung und der darin zur Anschauung gebrachten Realität zu stiften. Das postmoderne Schauspiel verzichtet auf dieses ursprünglich dialektische Verhältnis von Spiel und Wirklichkeit und setzt an seine Stelle Selbstreferenz und Ironie.
Der postmoderne Paradigmenwechsel in der Bewertung von Schauspiel führt zu einer tiefgreifenden Veränderung in der Ausbildung. Die Schauspielschulen sind in der sich öffnenden Schere zwischen der Tradition ihrer Ausbildung und den Erwartungen eines Theatermarktes in der wachsenden Gefahr, keine Ausbildung mehr anbieten zu können. Die Frage nach dem schauspielerischen Handwerk wird immer öfter mit der ratlosen Aussage beantwortet: Sprechen und Bewegen sollten sich Schauspieler schon können, doch wichtiger ist, dass ihre Persönlichkeit zur Erscheinung kommt. Die immerwährende Forderung nach der ganzen Persönlichkeit, die sich möglichst authentisch und selbstbestimmt im Projekt einbringen soll, ist das Kennzeichen postmoderner Arbeitsregime. Die allzu folgsame Übernahme dieser Forderungen...