Die Situation.
von Yael Ronen
Erschienen in: Zeitgenoss*in Gorki – Zwischenrufe (03/2023)
Wo sich Biografie und Imagination treffen, kann oft eine tiefere Wahrheit zum Vorschein gebracht werden. Die unsichtbaren Fäden, die das Private mit dem Kollektiven und dem Politischen verbinden. Alle paar Jahre finde ich mich wie in einer Zeremonie oder einem Ritual in einem Raum mit israelischen und palästinensischen Schauspieler*innen wieder, um gemeinsam in der Erzählung zu wühlen, die unser Leben geprägt hat, mit der wir aufgewachsen sind, die uns von unseren Eltern, unseren Vorfahren, unserer Kultur mitgegeben wurde. Die Erzählung, die wir mit unseren Biografien geschaffen haben. Wir setzen uns hin, wir erzählen, wir hören zu, wir weinen und lachen zusammen, und wir stoßen an die Grenzen unserer Akzeptanz, auf unsere Angst, unsere Vorurteile, unsere Wut.
Die Situation mit meiner Arbeit The Situation am Gorki war, dass ich mit meinem Mann ein Theaterstück schrieb, in dessen Mittelpunkt ein palästinensisch-israelisches Paar steht, das sich trennt. Wir schrieben das Stück über unsere Trennung, während wir selbst mitten im Trennungsprozess steckten. Unsere Figuren waren in der Lage, das auszudrücken, was wir nicht zu denken wagten. Wo sich Biografie und Fantasie treffen, kann oft eine tiefere Wahrheit zum Vorschein kommen. Und das Private und das Politische sind eins.