Theater der Zeit

Wie wir unsere Wahrnehmung erweitern können

von Viola Schmidt

Erschienen in: Mit den Ohren sehen – Die Methode des gestischen Sprechens an der Hochschule für Schauspielkunst Ernst Busch Berlin (04/2019)

Über unseren Tast- und Hautsinn nehmen wir Vibrationen wahr. Legen wir die Hände auf den Kehlkopf und tönen, überträgt sich die Schwingung des primären Stimmschalls fühlbar. Wir können die Schwingungen im gesamten vorderen und seitlichen Halsbereich und im Nacken auf unsere Hände übertragen. Ähnlich verhält es sich mit den äußeren Wangen, den Nasennebenhöhlen und dem Mundboden. Beim Summen auf M spüren wir die Vibration der Mundlippen, bei Phonation auf N vibriert der Zungenspitze. Nähern wir die Backenzahnreihen sehr vorsichtig einander an und tönen auf M, spüren wir die Vibration an den Zähnen. Wenn wir uns nach und nach in den Mundraum vortasten, nehmen wir die Vibration der inneren Wangen, des Raumes unter der Zunge, der Zunge, des Gaumens wahr. Vielerlei Vorstellungsbilder helfen, dem Klang einen Raum zu geben. Je nachdem, ob wir unsere Vorstellungskraft auf den Nasenraum, die Ohren, die Augen, die Kopfspitze lenken, verändert sich die Qualität des Klanges. Bei diesem Spiel mit dem Stimmklang vermindert sich der Atemdruck meist sehr schnell. Es geht weniger darum, etwas zu produzieren, als darum, etwas zu entdecken. Durch fein koordinierte Bewegungen lässt sich der Klang im Ansatzrohr bewegen. Wir erforschen unsere Klangräume und setzen sie unterschiedlich zusammen. Das betrifft zunächst den gesamten...

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