10
Erschienen in: Letzter Vorhang (05/2017)
Für Lohmann war Kuckucksnest eine Allegorie auf die entartete Diktatur des Proletariats gewesen. An sich hielt er sich für einen Kommunisten und trauerte auf seine introvertierte Art. In den Neunzigern sahen wir uns veranlasst, schrittweise Eingriffe in die Regie vorzunehmen, bis aus der Diktatur des Proletariats die des Kapitals wurde. Lohmann hatte zu der Zeit schon kein Interesse mehr am Theater und ließ uns freie Hand. Von ihm selbst weiß ich, dass er über diese ideologische Evolution seiner letzten Arbeit sehr beglückt gewesen ist.
Es war wenig überraschend, dass das inszenatorisch so einfach funktionierte. Zum Beispiel wird in Miloš Formans gleichnamigem Film, dessen Ästhetik sich auch Lohmann nicht entziehen konnte oder auch nur wollte, auf der Krankenstation unaufhörlich eine schwülstige, sehnsuchtsvolle Musik abgespielt. Eine offensichtlich manipulative Praxis wie einst auf den öffentlichen Plätzen in der Sowjetunion oder heute bestimmt noch in Nordkorea. Formans Musiker Jack Nitzsche hatte dafür einen Walzer komponiert, der jedem sozialistischen Tonsetzer zur Ehre gereicht hätte. Schwester Ratched begründet im Film McMurphy gegenüber die Dauerbeschallung damit, dass sie auf die schwerer erkrankten Patienten eine beruhigende Wirkung habe.
Schon aus urheberrechtlichen Gründen wäre der Nitzsche-Walzer für uns zu DDR-Zeiten nicht infrage gekommen. Lohmann musste sich anders entscheiden und...