Dass aus der Geschichte zu lernen wäre, ist eine törichte Annahme. Ein Blick in die Ukraine, in den nahen Osten, in die Gemütsstuben der Alternative für Deutschland, überall dorthin, wo Menschen- und Freiheitsrechte mit Füßen getreten werden, ruft uns dies drastisch in Erinnerung. Leipzig beteiligt sich an der Verklärung von Geschichte mit dem Lichtfest (200 000 Besucher in diesem Jahr), welches alljährlich mit einer fröhlichen Lichterflut an den 8. Oktober 1989 „erinnern“ will. Dass an jenem Tag Menschen unter Einsatz ihres Lebens gegen ein Regime auf die Straße gingen und Munitionskisten, Blutreserven und Deportationsfahrzeuge in den Höfen und Seitenstraßen bereitstanden, verdrängt das heutige Erinnerungsspektakel. Anlässlich der Ereignisse vor nunmehr 25 Jahren und einen Tag nach dem diesjährigen Lichtfest hat das Leipziger Schauspiel Heiner Müllers „Wolokolamsker Chaussee I–V“ ins Programm genommen.
Ästhetisch wenig originell, ist die Inszenierung von Philipp Preuss eine lohnenswerte Geschichtswerkstatt. Sie wird dies aus einer Differenz heraus: So recht deutlich wird in den ersten vier Szenen nämlich nicht, ob die sechs im Sprachchor geeinten Darsteller mit Müllers schroffen, wie aus Stein gemeißelten Worten und Bildern nur wenig anzufangen wissen oder ob ihre dürren, streng rhythmisierten Gänge, Gesten und Worte Ausdruck Brecht’-scher Distanz sind. In der verbleibenden fünften Szene...