Magazin
Linzers Eck: Es lebe die Zettelwirtschaft!
Wie Theater ihre Besucher schlau machen – oder für dumm verkaufen
von Martin Linzer
Erschienen in: Theater der Zeit: Robert Wilson: Göttliche Monster (03/2014)
Was Shermin Langhoff und Jens Hillje uns am Maxim Gorki Theater Neues zu bieten haben, muss man nicht alles schön finden, aber eins haben sie toll gemacht: Sie haben den guten alten Theaterzettel neu erfunden (für 50 Cent zu erwerben). Das ist ein ca. DIN-A3-formatiges Plakat der jeweiligen Inszenierung, doppelt gefaltet finden auf der viergeteilten Rückseite alle Informationen Platz, die ich als „einfacher“ Zuschauer benötige, und die Namen der Schauspieler sind extra groß gedruckt. Das ist ein deutliches Signal gegen die Bildungshuberei der Staatstheaterdramaturgien mit ihren textlastigen (und entsprechend teuren) Programmbroschüren und erzählt viel vom Publikumsverständnis dieser neu aufgestellten Bühne, die ein sozial und ethnisch breit gefächertes Zuschauerklientel vor allem unterhalten will, laut, bunt, schräg, nicht immer politically correct, es aber nicht belehren will. Bildung okay, aber mit Spaß.
Es mag ein Zufall sein, oder eine Duplizität der Ereignisse, dass die Volksbühne auch eine Neuheit für ihr Publikum einführte, das Programmheft als Heimwerkerangebot. Das ist ein Heftchen im Oktavformat von 36 Seiten (inkl. Umschlag), vorn der Stücktitel, hinten das Räuberzeichen, zwei Seiten mit Stab und Besetzung vorn, hinten zwei Seiten mit einem Text, „Der Zuschauer“ aus einem Essay von Richard Sennett, darin der Satz: „Der erläuternde Programmzettel, der sich...