Theater der Zeit

Vorwort Goethe-Institut

von Peter Anders

Erschienen in: Recherchen 77: Theater südlich der Sahara – Theatre in Sub-Saharan Africa (06/2010)

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Wenn man vom Theater Afrikas spricht, ist die Frage nach Identität nicht weit. Aus westlicher Sicht impliziert dies ein gewisses Protest - potential gegen die einstigen kolonialen Herrscher. Befreiungsdramatik und die richtige Botschaft zur angemessenen Zeit scheinen auch fünfzig Jahre nach der Unabhängigkeit vieler afrikanischer Staaten die bestimmenden Themen des Theaters zu sein. Politisches Handeln und gesellschaftliche Befindlichkeit, die auf der Bühne reflektiert werden, bleiben die großen Antriebskräfte. HIV, Korruption und die Macht des Schicksals bilden häufige Erzählungen, in denen das angewandte Theater nicht gerade als zweckfreie Kunst dient, sondern durchaus auch instrumentalisiert wird für die korrekte Nachricht.

Weniger Illusion als Affirmation sind mithin die Wirkungsweisen eines Theaters, das nicht frei ist von der sich reproduzierenden Moral. So wirkt es in eine Öffentlichkeit hinein, die grundsätzlich sehr viel kommunikativer gestaltet ist als etwa diejenige Europas, in der Öffentlichkeit nur in Abgrenzung zur Privatheit gedacht werden kann. Für die leiseren – auch privateren – und somit widerständigeren Zwischentöne des Theaters in Afrika stehen heute oftmals andere Formen performativen Handelns, die sich vor allem in unterschiedlichen Konzepten vom Raum manifestieren. Es ist kein Zufall, dass Innovation sowohl in den Inhalten als auch in der Form häufig von denjenigen Theaterleuten geschaffen wird, die auch choreographisch Neues entdecken oder die von sich selbst behaupten, dass sie eher filmisch als theatralisch denken.

Grenzen zu überschreiten in der Nutzung der Medien spiegelt sich auch unmittelbar in der Zusammensetzung des Publikums wider. Eine junge städtische Zuhörerschaft mit durchaus üblichem Zugang zu Internet und anderen sozialen webbasierten Netzwerken sieht anders auf Theater als eine überwiegend ländliche Bevölkerung, bei denen der Bildungsanteil der Theaterbotschaft noch weitaus größer ist. Entsprechende Inszenierungsstile prägen sich aus und bilden auch international bemerkenswerte subregionale Unterschiede in der Theatersprache.

Es mag ein Relikt vergangener Entwicklungsarbeit sein, dass Viele die ästhetische Produktion in Afrika noch immer mit dem Schaffen in ländlichen Gebieten gleichsetzen, wo ein an der Gemeinde orientiertes, sozial engagiertes und zumeist partizipatives Spiel vorherrscht. Diese Haltung, verbunden mit der Sehnsucht nach Authentizität, ist nicht frei von Ignoranz, die die rasanten Transitionen in den Metropolen dieser Welt, insbesondere auch in denen Afrikas, verkennen bzw. im Interesse der Wahrung des eigenen exotischen Weltbildes nicht wahrhaben wollen.

Auch wenn sich die globalen Probleme angleichen, so sind die Lösungsansätze keineswegs homogen, sondern im Rückgriff auf die eigene Tradition in hohem Maße divers. Dass das Goethe-Institut daran mittun kann, diese Diversität anhand ausgewählter und nicht repräsentativer Beispiele der Theaterarbeit Afrikas südlich der Sahara zu präsentieren, erfüllt uns nicht nur mit Freude, sondern verpflichtet uns auch zu Dank gegenüber dem Initiator des Projektes, Herrn Rolf C. Hemke. Ohne seinen Einsatz wäre diese Publikation nicht entstanden.

 

Peter Anders 
Programmleiter Afrika südlich der Sahara
Goethe-Institut Südafrika

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