Theater der Zeit

Vergessen – wie macht man das?

Begegnungen in einem jüdischen Altenheim

von Raimund Hoghe

Erschienen in: Recherchen 150: Wenn keiner singt, ist es still – Porträts, Rezensionen und andere Texte (1979 - 2019) (09/2019)

Assoziationen: Debatte

Jüdisches Altenheim, Düsseldorf, Zimmer 136. An den Wänden Bilder, Erinnerungsstücke. Frau Weiss sitzt auf dem Bett und sagt: „Was vorbei ist, ist vorbei.“ Ihre Eltern seien in Auschwitz ermordet worden, aber man müsse unter die Vergangenheit einen Schlussstrich ziehen, wenn man weiterleben wolle. Sie stellt das sehr bestimmt fest und fragt, ob ich das Sprichwort kenne „Fürs Gewesene gibt der Jude nichts.“ Nein, antworte ich und weiß auch nicht, wie man das macht: vergessen.

Land verloren

die vertrauten Dinge

Kein Wort mehr darüber

Unsere Toten

intakt

wohnen bei uns

Wir teilen mit ihnen

unsere vergessliche

Erde

Rose Ausländer, Jahrgang 1901, geboren in Czernowitz, Bukowina, Jüdin, verfolgt von den Nazis, Autorin des Gedichtes Wir teilen, lebt wie Eva Weiss im Nelly-Sachs-Haus in Düsseldorf. „Elternheim der Jüdischen Gemeinde“ steht auf dem Briefkopf des Hauses, in dem mehr als achtzig alte Menschen Platz finden, Juden deutscher, polnischer, tschechischer, rumänischer Herkunft und einige Nichtjuden. Im Zusammenleben gäbe es nicht die geringsten Schwierigkeiten, betont Heimleiter Franz Fantl, „sie sitzen nicht separat, wohnen nicht separat – das alles ist eine große Familie.“

Von großer Familie spricht auch Adolf Lilienthal, 84, und davon, dass man „außerordentlich zufrieden und glücklich“ sei. „Ausgezeichnet“ war es ihm auch vor...

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