Kunst als Tarnung und Mainstreamverbesserung
von Corinna Humuza und Nadine Jessen
Erschienen in: Kampnagel Hamburg. 40 Jahre Widerspruch – Workbook zum Jubiläum (07/2024)
Auch Kampnagel als anspruchsvolle Institution stolpert über die eigenen Widersprüche. Dem Diskurs vorauseilen, von der Realität eingeholt werden, neue Versuche starten, sich mal durchsetzen, mal scheitern: Die Pendelbewegung zwischen dem Versuch einer ernsthaften und wirksamen antirassistischen, intersektionalen oder antiableistischen Arbeit und der eigenen Verstrickung in die Reproduktion von Machtverhältnissen ist ongoing. Die beiden kuratorischen Spuren »Kunst als Tarnung« und »Mainstreamverbesserung« stehen für diese Ambivalenzen und haben das künstlerische Profil der letzten Jahre stark geprägt. Die Idee von »Kunst als Tarnung« ist alles andere als neu und eng mit der Geschichte des Ortes verknüpft. In der ehemaligen Kranfabrik »Nagel & Kaemp« organisierten sich die kommunistischen Arbeiter*innen beispielsweise in betriebseigenen Theatergruppen, wie im Text von Carina Book und Sophia Hussain (S. 168) vertieft wird. Dieses Workbook skizziert anhand konkreter Projekte die Überschneidungen und Unterscheidungen dieser künstlerischen Strategien und ihre wechselseitige Wirkung auf innerinstitutionelle Strukturen. Im Praxisteil tragen unterschiedliche Künstler*innen ihre Perspektiven und Analysen bei.
Künstlerisches Tarnen politischer Interventionen: Definitionen und Anwendungsbeispiele
Die Methode »Kunst als Tarnung« wird landläufig mit der Praxis von Wirtschaftsunternehmen in Verbindung gebracht, die sich üblicherweise im Pink- bzw. Greenwashing ausdrückt: Diversität als Token, queere Codes als konsumierbare Massenartikel der globalen Modeindustrie oder wirkungslose Öko-Zertifikate. Die gegenteilige Lesart lässt...