Heiner Müller, eine Differenz: „Das weiß jedes Kind.“ Er ist, und das zeichnet ihn aus, kein braver Textlieferant für ein Theater, das um sich selbst kreist. Heiner Müller lädt uns dazu ein, Theater mit Texten zu machen, die der Illustration, wie die Theaterinstitution es bevorzugt, trotzen. Jeglicher Versuch, seine Texte zu zähmen, ist müßig. Der Text ist nicht mehr, was er war. Aber man kann mit ihm Theater spielen, wenn man weiß, dass Geschichtsschreibung nicht das Hauptanliegen von Heiner Müller ist (es sei denn, um das Schweigen der Geschichte aufzuschrecken). Sein Gebiet ist die Geschichte des Schreibens; er will sich in sie einschreiben. Deshalb greift er auf Märchen, Mythen und Zitate zurück. Besonders offensichtlich ist das in dem „Gräuelmärchen“ „Leben Gundlings Friedrich von Preußen Lessings Schlaf Traum Schrei“ – ein serielles und chorales Schreiben.
Jean Jourdheuil verfügt über das besondere Talent, diese Verweigerung der Linearität in den Raum zu inszenieren. 1976 steckte Müller ihm bei einem Besuch diesen damals noch unveröffentlichten Text zu. Jourdheuil übersetzte ihn, ebenso wie „Mau- ser“ und „Der Horatier“. Damit begann eine bis heute andauernde Praxis. Von der Übersetzung zur Inszenierung und zur Veröffentlichung ist es nur ein Schritt, möglichst einer mit Siebenmeilenstiefeln. Aber Jourdheuil...