Europa: Geburt, Trennung, Ereignis
In „Europa als Name, Europa als Begriff“ – einem Auszug aus dem Vorwort seines 2007 bei Stanford University Press erschienenen Buches Europe, or the Infinite Task – zitiert der amerikanische Komparatist Rodolphe Gasché noch einmal den wohlbekannten Mythos von Europa, der von Zeus in der Verkleidung eines weißen Stieres nach Kreta entführten, phönizischen Königstochter. „Wenn Europa seinen Namen also tatsächlich diesem Mythos verdankt“, so beschließt Gasché,
dann ist dieser weniger ein Name, den es sich selbst zur Eigenidentifikation verlieh, sondern ein von außerhalb seiner selbst kommender Name, der überdies die Entführung aus dem Geburtsland (Asien) in ein noch namenloses Land bezeichnet. […] Der Name Europa ist also nicht in erster Linie der Eigenname eines Landes, sondern der Name einer Bewegung des Trennens und (Sich-)Losreißens, in der alles Eigene immer schon zurückgelassen wurde. Es ist somit eine aller Selbsteingrenzung vorgängige Erweiterung, eine konstitutive Öffnung hin auf alles Fremde, Fremdartige, Unbestimmte. 1
Die Idee einer „fundamentalen Offenheit für die Welt und eine ursprüngliche Transzendenz hin auf das, was es nicht ist“, entnimmt Gasché zum Teil dem Europadiskurs des französischen Philosophen Jean-Luc Nancy. Nicht nur die von Nancy suggerierte (philologisch wohl nicht gut fundierte) ‚etymologische‘ Verwandtschaft zwischen dem Nam...