2.2. Brechts Auftrag
von Sebastian Kirsch
Erschienen in: Das Reale der Perspektive – Der Barock, die Lacan’sche Psychoanalyse und das ‚Untote‘ in der Kultur (07/2013)
Nun arbeitet der »Brotladen« sich auch an der Frage ab, wie ein gesellschaftlicher Raum überhaupt beschrieben und dargestellt werden kann, der sich über einen inkonsistenten und darum permanent sich wandelnden, dynamischen Anderen organisiert, ein Raum, in dem sich Bedeutungen von Namen und Benennungen laufend verändern, Abmachungen und Verträge plötzlich ungültig werden und ein und dieselbe Handlungsweise je nach Konstellation mal diese, mal jene Ergebnisse zeitigt. Dieses Problem wird von Brecht erneut in offener Auseinandersetzung mit dem Erbe der barocken Vertikale untersucht, besonders deutlich in der Szene B 10 der zweiten Arbeitsfassung.
Vor dem Brotladen des Bäckermeisters Meininger stellt sich die »Witwe Queck mit der rückständigen Miete« vor: Sie bringt sich und ihre sieben Kinder durch, indem sie kleine Gänge für Meininger erledigt. Diesmal bekommt sie den Auftrag, vom Holzhändler Reuter für Meiningers handgeheizte Backöfen Knüppelholz im Wert von 100 Mark liefern zu lassen. Das Holz soll dann von den die Szene säumenden Arbeitslosen zu Kleinholz gehackt werden (was billiger ist, als gleich Kleinholz zu ordern). Während Queck unterwegs ist und der Chor der Arbeitslosen schon frohlockt, taucht Flamm auf, Agent einer Immobilienfirma, die Meiningers Bäckerei zwei Hypotheken bewilligt hat. Flamms Firma wird von den Kleinbanken bedrängt, die wiederum von den...