3. Polyperspektivismus. Von der Form zur Methode
von Theresa Schütz
Erschienen in: Recherchen 164: Theater der Vereinnahmung – Publikumsinvolvierung im immersiven Theater (05/2022)
Nach der einführenden Betrachtung ausgewählter Positionen der transdisziplinären Immersionsforschung (Kap. 1), der Beschreibung zentraler Merkmale immersiver Theaterdispositive (Kap. 2.1) und der Spezifizierung von immersivem Theater als rezente Theaterform, die das immersive Dispositiv und ästhetische Strategien der Überblendung von sozial-relationalem Aufführungsgeschehen und fiktiver Weltversion im Modus einer Wirklichkeitssimulation vereint (Kap. 2.2), möchte ich nun erläutern, welche Herausforderungen sich bei der Analyse von Aufführungen immersiven Theaters ergeben.
Wie bereits dargelegt, werden Zuschauer*innen vom Aufführungs- als Erfahrungsraum szenografisch, narrativ, atmosphärisch und multisensorisch umschlossen, wodurch vielfältige Dynamiken situativer Affizierungen im Hinblick auf Erfahrungsschatz und Bedeutungsgenerierung wirkungsästhetisch dominant werden. Sie werden in je verschiedenen Konstellationen in unterschiedliche Situationen verwickelt, für deren Verlauf ihr eigenes Mit-Wirken, ihr Re-Agieren und ihr Empfinden mitbestimmend werden. Die in Rede stehenden Produktionen arbeiten dabei mit einer Vielfalt an Involvierungsstrategien, die die Einbindung der Zuschauenden ins Aufführungsgeschehen und damit auch bestimmte Wahrnehmungsweisen und Affizierungsprozesse gezielt lenken und modellieren. Diese umfassen dramaturgische Strategien der Publikumsaufteilung, produktionsästhetische Absprachen darüber, wie Performer*innen mit Zuschauer*innen umgehen, räumliche (Des-)Orientierungsprozesse, die sich durch die Parcoursstruktur der komplexen Konstellation szenischer Räume ergeben, der Einsatz sensorischer Stimuli (z. B. durch das Reichen eines Getränks oder Snacks, durch Duftdesign oder die Haptik umgebender Gegenstände), die kognitive Einbindung in die erzählte Weltversion über Erzählungen, Berichte und persönliche Gespräche sowie Strategien des Publikums-Framings (vgl. Kap. 2.2.3). Diese verschiedenen Modi der Publikumsinvolvierung auf ihre vereinnahmenden Dimensionen hin zu analysieren, bildet das methodisch-theoretische Ziel meiner Studie.
Als ich im Winter 2014/15 begann, mich mit »immersive theatre« zu beschäftigen, war der Begriff in der deutschsprachigen theaterwissenschaftlichen Debatte noch weitgehend unbekannt. Vermittelt über die ersten kartografierenden Positionen der britischen Theaterwissenschaftler*innen Josephine Machon und Adam Alston konnte ich mir einen Eindruck verschaffen, welchen vermeintlich neuen Theater- und Performanceformaten und mit ihnen verbundenen Erfahrungsschätzen sie mit dieser Bezeichnung begrifflich auf der Spur waren. Da die meisten ihrer Aufführungsbeispiele von britischen Künstler*innen und Kollektiven stammten und zum Zeitpunkt ihrer Publikationen zumeist schon abgespielt waren, habe ich begonnen, andere international tourende Produktionen aus dem vorgeschlagenen Künstler*innen-Kreis mitzuerleben und sie mit Produktionen aus dem Berliner Umfeld sowie aus ganz Deutschland, aber auch aus Frankreich, Belgien, Österreich und Dänemark vergleichend in Beziehung zu setzen.
Für die Auswahl der gesichteten Produktionen bin ich zunächst Machons »central features« (Machon, 2013, S. 70) gefolgt: Es sollte eine aktive Beteiligung des Publikums, ein verändertes räumliches Dispositiv sowie eine multisensorisch erfahrbare Szenografie geben. So habe ich von 2014 bis 2020 insgesamt 120 Produktionen miterlebt, die diesen Kriterien entsprachen. Induktiv erwuchs aus der Betrachtung dieses Aufführungsspektrums die Erkenntnis, dass es innerhalb dieses Korpus partizipativer Arbeiten einen Kreis von Arbeiten gibt, die sich in besonderer Weise ähneln und darin zugleich von allen anderen symptomatisch abheben. Hierin sah ich einen Schlüssel für eine notwendige Differenzierung innerhalb des Diskurses um »immersive theatre«, in dem partizipativ und immersiv zunehmend synonym verwendet wurden. Mein zentrales theoretisches Unbehagen, Immersion auf gänzlich diverse Theater- und Performanceformate zu übertragen, ist dadurch begründet, dass Immersion dann pro Beispiel aufgrund ihrer Kontextabhängigkeit stets völlig unterschiedliche mediale und materielle Rezeptionsweisen und Erfahrungsdimensionen meinen muss und auf diese Weise zu keiner theoretischen Präzisierung beitragen kann.
Während das Forschungsdesign meiner Studie zu Beginn noch darauf abzielte, herauszufinden, was man im Theater mit seiner spezifischen Medialität und Materialität sinnvoll als eine immersive Zuschauer*innen-Erfahrung bezeichnen könnte, verschob sich mit Forschungsverlauf der Fokus von der Betrachtung des rezipierenden Individuums und dessen Wahrnehmung und Einordnung bestimmter Erfahrungsmomente als »immersiv« auf die Analyse des relationalen Affektgeschehens zwischen Aufführungsdispositiv und Zuschauer*in. Vor diesem Hintergrund entfaltete sich im permanenten Wechselspiel zwischen theoriegeleiteter Perspektivierung, regelmäßigen, empirischen Aufführungserfahrungen sowie systematischem Austausch mit anderen Zuschauer*innen die Hypothese, dass die zentralen Formprinzipien immersiven Theaters im engeren Sinn bestimmte Erfahrungen wirkungsästhetisch präfigurieren.
Die Besonderheit meines Aufführungskorpus liegt darin, dass es gestaltete Weltversionen gibt, mit denen Zuschauer*innen über verschiedene ästhetische Strategien in Beziehung gesetzt werden. Ich akzentuiere das Immersive auf diese Weise über die Dimension des Worldbuildings und schaffe damit einen Anschluss an die in Kapitel 1.2 vorgestellten Apparaturen und Medien der Immersion, denen es zuvorderst um verschiedene Mensch-Umgebungs-Konstellationen geht. So wird es möglich, Immersion in den in Rede stehenden Aufführungen zuvorderst auf der Ebene jener Selbst-/Weltverhältnisse in den Blick zu nehmen, die vom Aufführungsdispositiv sowohl präfiguriert als auch mithervorgebracht werden können. Diese Perspektivierung führte dazu, dass ich mich auf die Analyse der verschiedenen Involvierungsmodi zu konzentrieren begann.
Das Verb »involvieren« beinhaltet das von seiner lateinischen Herkunft (»involvere«, dt. »einwickeln«) abgeleitete Bedeutungsspektrum von »ein- bzw. umschließen« (Duden online, o. J.) über »hineinwälzen« (Brockhaus, 2006, S. 455) bis »in etwas verwickeln« (ebd.) und adressiert so viel präziser als das im ästhetischen Diskurs überstrapazierte Verb »partizipieren«, in welcher Weise Zuschauer*innen von immersiven Aufführungsdispositiven und den gestalteten Weltversionen im Sinne Agambens ergriffen, gelenkt, bestimmt, gehemmt, geformt, kontrolliert und eben auch vereinnahmt werden. Die Ähnlichkeit zwischen Games und immersivem Theater, Spieler*innen bzw. Zuschauer*innen nicht nur multimodal, sondern vor allem auch handlungsbezogen in Spielgeschehen und Spielwelt bzw. Aufführungsgeschehen und fiktive Weltversion einzubeziehen, legt nahe, sich die Privilegierung des Begriffs der Involvierung, wie sie in den Game Studies dominiert (vgl. Calleja, 2011, S. 35ff.), gleichfalls anzueignen. Und weil die Involvierung in das Aufführungsgeschehen im immersiven Theater immer auch zugleich die Involvierung in die fiktive Weltversion meint, zielt die Analyse von Involvierungsprozessen auf die Analyse von Selbst-/Weltverhältnissen – in einem Erfahrungsraum, in dem Soziales und Ästhetisches im Modus der Wirklichkeitssimulation »verschmelzen«.
Die titelgebende Rede vom immersiven Theater als einem Theater der Vereinnahmung zielt, wie die Analysen zeigen werden, darauf ab, dass die vielfältigen Involvierungsstrategien als Modi der ›Kopplungen‹ von Zuschauer*in und Weltversion wirkungsästhetisch Prozesse der Vereinnahmung begünstigen. Wählt man Publikumsinvolvierungen und die von ihnen präfigurierten und realisierten Wirkungen in Theateraufführungen als zentralen Analysegegenstand, dann hat man es mit einem empirisch äußert schwer greifbaren Phänomen zu tun. Das methodische Dilemma der Theaterwissenschaft im Hinblick auf die Ephemeralität der Aufführung verschärft sich noch, wenn sich wie im immersiven Theater eine Aufführung hauptsächlich über verschiedene Situationen konstituiert, die von den jeweiligen Individuen maßgeblich mitbestimmt und in dieser spezifischen Weise auch ausschließlich von ihnen selbst (und niemandem sonst) erlebt werden. Wie also analysiert man die Korrelation von Publikumsinvolvierungen und ihren erfahrungsbezogenen Wirkungen?
In diesem Kapitel möchte ich weitere formale Merkmale immersiven Theaters im engen Sinn herausstellen, die ich mit dem Begriff des Polyperspektivischen fasse, um von der Spezifik des Gegenstandes mein weiteres methodisches Vorgehen herzuleiten und zu begründen. Polyperspektivismus tangiert verschiedene Dimensionen wie die Entgrenzung des Aufführungsgeschehens in eine Vielzahl gleichzeitig und nebeneinander stattfindender Szenen und Situationen (3.1). Er beschreibt ferner das gleichberechtigte und gleichzeitige Nebeneinander-Wirken verschiedener Figuren sowie auch jenes von Gegenständen, Atmosphären, Gerüchen oder Klängen, die zu potentiellen Erzählinstanzen der der fiktiven Weltversion zugrunde liegenden Narration werden. Ebenso wie die innerdiegetische Perspektivvielfalt, die es möglich macht, den Mikrokosmos über ganz und gar gegensätzliche Personen oder Positionen kennenzulernen (3.2). Zuletzt hebt der Polyperspektivismus auch auf die Vervielfältigung der Wahrnehmungsmodalitäten bei den teilnehmenden Zuschauenden ab, insofern diese die gestaltete Weltversion dezidiert mit all ihren Sinnen wahrnehmen, erspüren und sich inner- wie außertheatrale Weltbezüge auf diese Weise nicht nur rational auf der Ebene der Bedeutungsgenerierung, sondern in hohem Maße über sinnliches Spüren und komplexe Affizierungsgeschehen herstellen (3.3).
Ich werde vor diesem Hintergrund für die Analyse der Publikumsinvolvierung im immersiven Theater eine polyperspektivische Szenen- und Situationsanalyse vorschlagen.115 Diese umfasst zugleich auch eine Polyperspektivierung im Hinblick auf die Methoden. Um sowohl formals auch akteursbezogen vorgehen zu können und damit der genuinen Relationalität von Involvierungsprozessen gerecht zu werden, kombiniere ich phänomenologische116 und semiotische Aufführungsanalyse (mit dem Fokus auf ausgewählte Szenen und/oder Situationen) und affekttheoretische Dispositivanalyse mit sozialwissenschaftlichen Methoden, respektive mit qualitativen Zuschauer*innen-Interviews. Wie die folgenden Ausführungen zeigen werden, erfordert es die relationale Form immersiven Theaters, mit-wirkende Zuschauende weder nur stellvertretend über meine eigene begrenzte Zuschauerinnen-Perspektive noch lediglich als abstrahierte oder abstrakte theoretische Figur zu adressieren. Vielmehr drängt die künstlerische Form, die auf der vielfältigen Involvierung von Zuschauer*innen basiert, darauf, auch ›empirische‹ Zuschauer*innen und ihre konkreten verkörperten Aufführungserfahrungen systematisch in die Analysen einzubeziehen, um herausstellen zu können, worin die strukturellen wirkungsästhetischen Gemeinsamkeiten von ausgewählten Szenen und Situationen liegen, die Zuschauer*innen im immersiven Theater erleben. Auf diese Weise schreibt sich die vorliegende Arbeit methodisch wie theoretisch auch in das noch recht junge Feld theaterwissenschaftlicher Publikumsforschung ein.
Patrice Pavis spricht bezeichnenderweise vom »Gespenst des Zuschauers […] als Alptraum des Theoretikers« (Pavis, 2011, S. 73). Denn gerade in den Anfängen des Fachs hat sich die Theaterwissenschaft neben historischen und historiografischen Arbeiten hauptsächlich der Dramenanalyse und in den achtziger Jahren vermehrt der vornehmlich semiotischen Analyse des Aufführungstextes gewidmet. Als Wissenschaft, die sich insbesondere innerhalb der letzten drei Dekaden explizit mit der Kunst von Aufführungen beschäftigt, welche gemäß der Neukonturierung eines performativen Aufführungsbegriffs durch Erika Fischer-Lichte von Zuschauer*innen und Akteur*innen konstitutiv gemeinsam hervorgebracht wird, überrascht es doch, wie überschaubar theoretische Bemühungen sind, jenem »Gespenst« – sei es implizit oder »explizit« (Kemp, 2015) in Aufführungsformen mitgedacht – analytisch habhaft zu werden.
Innerhalb der Publikumsforschung sind verschiedene thematische und methodische Zugriffe zu unterscheiden, so z. B. a) Studien zur Geschichte des Theaterpublikums in verschiedenen historischen Epochen (z. B. Kindermann, 1991; Fisher, 2003; Korte/Jakob, 2014, Müller, 2012; Höhne, 2012), b) Studien zu theoretischen Konzepten des*r »Zuschauer*in« oder Publikums zwischen rezipierendender und produzierender Instanz (z. B. Bennett, 1997; Fischer-Lichte, 2006; Bleeker, 2008; Rancière, 2009; Roselt, 2015), c) Studien zum Publikum als theatraler Gemeinschaft im Kontext historischer Festkulturen (z. B. Warstat, 2005; Fischer-Lichte et al., 2012), d) Studien zur Relation von Theaterpublikum und Öffentlichkeit (z. B. Livingstone, 2005; Balme, 2014), e) Studien, die neue partizipative Publikums- und Zuschauer*innen-Konfigurationen im postdramatischen und zeitgenössischen Theater im Kontext des social turns kartografieren (z. B. Deck/Sieburg, 2008; Oddey/White, 2009; Bishop, 2012; White, 2013; Wehrle, 2015; Lavender, 2016; Beaufils/Holling, 2018; Hochholdinger-Reiterer et al., 2018; Groot Nibbelink, 2019), f) empirisch-experimentelle Studien zu Zuschauer*innen-Erfahrungen und/oder Publikumsreaktionen (z. B. Sauter, 2002; Reason, 2010; Husel, 2014; Breel, 2015; Reinelt/Megson, 2016; Heim 2016) sowie zuletzt g) das ins Feld von Kulturmarketing und -politik fallende Audience Development (z. B. Glogner-Pilz, 2012; Mandel, 2012; Renz, 2015; Tröndle, 2019). Ich verorte meine Studie, die form- und akteursbezogen vorgeht, an der Schnittstelle der Positionen, die ich unter e) und f) subsumiert habe.
In den vergangenen Jahren wurde angesichts der Vielfalt zeitgenössischer Publikumskonfigurationen in Theater- und Performanceaufführungen – auch vor dem Hintergrund sich durch die Existenz sozialer Netzwerke und neuer digitaler Formate zunehmend weiter ausdifferenzierenden und zugleich entgrenzter »extended audiences« (Couldry, 2005) – konstatiert, dass der Begriff des*r »Zuschauer*in« mit seiner primär aufs Visuelle abhebenden Fokussierung als ungenügend und überholt erscheine (vgl. u. a. Pavis, 2011, S. 83f. oder Kolesch et al., 2019, S. 11f.). An seine Stelle treten Bezeichnungen wie teilnehmende*r Beobachter*in, Zeug*in, Teilnehmer*in, Kompliz*in, Mitspieler*in, Koperformer*innen oder englische Bezeichnungen wie prosumer, immersant, participant oder narrator-visitor, um mit ihnen den Grad und die Qualität der in Rede stehenden Beteiligung begrifflich zu markieren.
Ich wähle in dieser Studie den Terminus von involvierten und/oder teilnehmenden Zuschauer*innen. Dies liegt nur in zweiter Linie daran, dass Besucher*innen immersiver Theateraufführungen trotz aller Involvierungs- und Beteiligungsstrategien immer auch Zuschauer*innen bleiben – sei es z. B. von Einführungsszenen, die eine aktive Involvierung nicht vorsehen, sei es von Situationen, in denen sie eingeladen sind, Begegnungen anderer Zuschauer*innen mit Darsteller*innen beizuwohnen, oder sei es im übertragenen Sinn, insofern man im immersiven Theater häufig auch zum Zuschauenden seiner eigenen Verhaltensmuster wird. In erster Linie wähle ich diese Bezeichnung, weil sich in meinen Interviews mit SIGNA-Zuschauer*innen herausgestellt hat, in welchem Maß Grad und Qualität ihrer Mitwirkung von den qua Sozialisation erlernten und inkorporierten Erwartungshaltungen, Konventionen, Verhaltens- und Empfindungsweisen der kulturell eingeübten Zuschauer*innen-Rolle beeinflusst waren. Es zeigte sich sogar, dass es gerade auch die auf diese Weise inkorporierte Institution des Theaters ist, die Prozesse der Vereinnahmung im immersiven Theater in hohem Maße begünstigt. Schließlich führten Konventionsdruck und Rollenerwartungen bei einigen Zuschauer*innen nachweislich dazu, dass sie Dinge mitgemacht haben, die sie im außertheatralen Kontext nicht gemacht hätten (vgl. dazu insbesondere Kap. 4.3).
Nach der angekündigten Einführung in das Polyperspektivische immersiver Theateraufführungen, aus welcher ich die Notwendigkeit einer methodischen Konzentration auf Szenen und Situationsanalysen, die Einbeziehung anderer Zuschauer*innen-Erfahrungen sowie die heuristische Fokussierung auf je ausgewählte Involvierungsmodi herleite, schließe ich das dritte Kapitel mit einem Einblick in die Materialgenese. Entlang der Figuration von »Zuschauer*innen als Ethnograf*innen«, die für immersives Theater inner- wie außerdiegetisch fruchtbar gemacht werden kann, werde ich eine Analogie von theaterwissenschaftlicher und/als ethnografischer Tätigkeit aufzeigen, die ich methodisch für die Analysen in Kapitel 4 für mich produktiv gemacht habe.
115 Vieles, was ich in diesem Kapitel ausführe und weiterentwickle, geht zurück auf die gemeinsame Vorarbeit im Forschungsprojekt Reenacting Emotions, vgl. Kolesch/Schütz, 2020 und darüber hinaus: Kolesch/Warstat, 2019.
116 Wo es um die Leibgebundenheit von Wahrnehmungsvorgängen und subjektive Prozesse der Aufmerksamkeitsverteilung, um Intentionalität und Responsivität geht, liegt ein phänomenologischer Ansatz erst einmal nahe, vgl. Roselt, 2008. Dieser Ansatz stößt allerdings dort an seine Grenzen, wo es a) um die Zugänglichkeit der Erfahrungsschätze ›anderer‹, b) um die Analyse kontingenter sozialer Situationen, die über das ästhetische ›Werk‹ hinausweisen oder c) nicht mehr um Sinnproduktion in situ geht, sondern um Zirkulationsund Aneignungsprozesse zeichengebundener Bedeutungsangebote und ihrer überindividuellen affektiven und emotionalen Wirksamkeit(en).