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Theater der Vereinnahmung
Publikumsinvolvierung im immersiven Theater
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Assoziationen: Theresa Schütz Paulus Manker Punchdrunk SIGNA James Scruggs Tamilla Woodard Volkstheater Wien Wiener Festwochen
Dank
Die vorliegende Studie ist die gekürzte, überarbeitete Publikation meiner im Sommer 2021 verteidigten gleichnamigen Dissertation und das Ergebnis meiner Mitarbeit im theaterwissenschaftlichen Projekt Reenacting Emotions. Strategies and Politics of Immersive …
von Theresa Schütz
1. Theorien der Immersion
Das deutsche Substantiv »Immersion« leitet sich vom spätlateinischen Nomen »immersio« ab; »immergere« ist die dazugehörige Verbform. Sowohl der Duden als auch Meyers Großes Konversationslexikon und der Brockhaus verzeichnen unter den …
von Theresa Schütz
1.1 Immersion als Modus ästhetischer Rezeption von Literatur, Film und Game
Parallel zu den genannten Studien von Murray und Grau ist auch Narrative as Virtual Reality. Immersion and Interactivity in Literature and Electronic Media (2001) der US-amerikanischen Literatur- und Medienwissenschaftlerin Marie-Laure …
von Theresa Schütz
1.2 Apparaturen der Immersion und des Worldbuildings
Nachdem der Fokus im ersten Schritt auf rezeptionsästhetischen Dimensionen »immersiver Medien« lag, möchte ich im zweiten Schritt jenen anderen, dominanten Strang innerhalb der transdisziplinären Immersionsforschung schlaglichtartig vorstellen, der sich mit …
von Theresa Schütz
1.3 Immersion und Theater/-wissenschaft
Gegenwärtig wird nicht nur die Verwendung des Immersionsbegriffs immer unschärfer, sodass Immersion zum umbrella term für die Beschreibung ubiquitärer Phänomene im Bereich VR/transmediales Storytelling/digitale Medien(kunst) gerät. Auch unter dem metaphorischen …
von Theresa Schütz
2. Immersives Theater
Verallgemeinernd lassen sich für den deutschsprachigen wie auch (west-)europäischen Gegenwartstheaterbereich mindestens für die letzten zwei Dekaden zwei große Tendenzen beobachten: Das sind die deutliche Zunahme an dokumentarischen einerseits und an …
von Theresa Schütz
2.1 Merkmale immersiver Theaterdispositive
Mit der Akzentuierung, Immersion und Gegenwartstheater primär über die differenzierende Beschreibung eines sich in den vergangenen Jahren herauskristallisiert habenden, neuen Aufführungsdispositivs zusammenzudenken, folge ich den in Kapitel 1.3 vorgestellten Positionen …
von Theresa Schütz
2.1.1 Von der Trennung zwischen Bühne und Zuschauerraum zum geteilten Erfahrungsraum
Ob beim Social Bootcamp vom Social Muscle Club oder Lies von Ontroerend Goed, bei denen Zuschauer*innen in kleinen Gruppen gemeinsam an Tischen sitzen und bestimmte Aufgaben miteinander lösen; ob bei …
von Theresa Schütz
2.1.2 Das mit-wirkende Publikum: Von der Kopräsenz zur Relationalität
von Theresa Schütz
Erika Fischer-Lichte hat mit ihrer Ästhetik des Performativen einen die deutschsprachige Theaterwissenschaft dominierenden Aufführungsbegriff geprägt, der die Aufführung nicht nur als ästhetischen, sondern dezidiert auch als sozialen Prozess begreift. Nach …
2.1.3 Die Eroberung des affektiven Zuschauer*innen-Körpers
Kunst und Theater lassen sich ganz allgemein als Affizierungsmaschinen beschreiben. Denn sowohl auf der Ebene der Darstellung oder Repräsentation wie auch auf der Ebene der Wirkung werden Affekte entweder zum …
von Theresa Schütz
2.2 Immersives Theater im engen Sinn
Im Folgenden möchte ich Einblick in jenen bereits erwähnten Korpus immersiver Theateraufführungen geben, der sich formal – und damit auch wirkungsästhetisch – von all den anderen gesichteten Arbeiten abgehoben hat …
von Theresa Schütz
2.2.1 Zum Gegenstand: Aufführungen immersiven Theaters
Ich betrete Neu-Friedenwald, eine fiktive US-amerikanische Kleinstadt, die aufgrund der räumlichen Überschaubarkeit etwas von einer Gated Community en miniature hat. Es ist ziemlich leer. Links ist ein kleiner Shop, aus …
von Theresa Schütz
2.2.2 Immersive Theateraufführungen als ästhetische Wirklichkeitssimulationen
Das Verb »simulieren« kommt aus dem Lateinischen und bedeutet »nachahmen«, »abbilden«, »[sich] ähnlich machen« oder »zum Schein vorgeben« (Dotzler, 2003, S. 509). In ästhetischen Debatten ist der Begriff der Simulation …
von Theresa Schütz
2.2.3 Vereinnahmung als zentrale wirkungsästhetische Kategorie
von Theresa Schütz
Mit dem Begriff der Wirkung wird im theaterwissenschaftlichen Kontext versucht, bestimmte Effekte oder Einflüsse, die Theateraufführungen auf die Gesellschaft, ein bestimmtes Publikum oder einzelne Individuen zeitigen können, zu erfassen, wobei …
2.3 Zum Korpus: Kurzvorstellung der Beispielaufführungen
Wie in Kapitel 2.2 dargelegt, hat es die sehr breite Sichtung von Performances und Theateraufführungen in Deutschland, Dänemark, Österreich, Großbritannien, den USA und Belgien ermöglicht, zu entdecken, dass im Feld …
von Theresa Schütz
2.3.1 Alma von Paulus Manker
Bereits am 29. Mai 1996 fand die Premiere von Paulus Mankers Alma – A Show Biz ans Ende im ehemaligen Sanatorium Purkersdorf bei Wien statt. Innerhalb von 25 Jahren wurden …
von Theresa Schütz
2.3.2 Sleep no more von Punchdrunk
Wie Alma existiert auch Punchdrunks populäre Produktion Sleep no more bereits seit fast zwei Dekaden. Felix Barrett85 gründete Punchdrunk 2000 in London. Sleep no more feierte ebendort im Dezember 2003 …
von Theresa Schütz
2.3.3 Das Heuvolk von SIGNA
Nicht nur Alma von Paulus Manker oder Felix Barretts erste Arbeiten, sondern auch die ersten Produktionen des dänisch-österreichischen Kollektivs SIGNA91 lassen sich zwei Dekaden zurückdatieren. Formale Merkmale wie die zeitliche …
von Theresa Schütz
2.3.4 Wir Hunde von SIGNA
Bei Wir Hunde handelt es sich um eine Koproduktion der Wiener Festwochen mit dem Wiener Volkstheater 2016. Letzteres stellte SIGNA das alte Gründerzeithaus in der Faßziehergasse 5a im siebten Bezirk …
von Theresa Schütz
2.3.5 Das halbe Leid von SIGNA
Das halbe Leid entstand 2017 als Produktion des Schauspielhauses Hamburg in der ehemaligen Werkhalle der Firma Heidenreich & Harbeck am Wiesendamm in Hamburg-Barmbek, wo zwischen 1917 und 1976 Drehmaschinen und …
von Theresa Schütz
2.3.6 3/Fifths – SupremacyLand von James Scruggs und Tamilla Woodard
Ich habe die Ankündigung zu 3/Fifths – SupremacyLand von James Scruggs108 und Tamilla Woodard109 zufällig in den New Yorker Feuilletons entdeckt, als ich im Mai 2017 wegen der Punchdrunk-Sichtung vor …
von Theresa Schütz
3. Polyperspektivismus. Von der Form zur Methode
Nach der einführenden Betrachtung ausgewählter Positionen der transdisziplinären Immersionsforschung (Kap. 1), der Beschreibung zentraler Merkmale immersiver Theaterdispositive (Kap. 2.1) und der Spezifizierung von immersivem Theater als rezente Theaterform, die das …
von Theresa Schütz
3.1 Aufführungs- und Inszenierungsanalyse als Szenen- und Situationsanalyse
Alle in Rede stehenden Produktionen arbeiten mit simultan stattfindenden Szenen, die sich an verschiedenen Orten innerhalb der komplexen Rauminstallationen ereignen. Dies hat zur Folge, dass Zuschauer*innen sich zwischen verschiedenen Szenen …
von Theresa Schütz
3.2 Multiple Polyperspektivität
Bereits in der Bezeichnung »Polydrama«, welche Joshua Sobol für Mankers Inszenierung von Alma entworfen hat, scheint auf, was für alle Aufführungen immersiven Theaters kennzeichnend ist: Wir haben es mit einer …
von Theresa Schütz
3.3 Über das Zusammenwirken verschiedener Wahrnehmungsmodalitäten
Wie inzwischen bereits mehrfach akzentuiert, zeichnet sich die Szenografie immersiver Theateraufführungen dadurch aus, von den Zuschauer*innen multisensorisch erfahren zu werden. Die Mikrokosmen sind als Erfahrungsräume eingerichtet, die vom navigierenden Publikum …
von Theresa Schütz
3.4 Zum Material: Zuschauer*innen als Ethnograf*innen
von Theresa Schütz
Wie alle Aufführungen sind auch immersive Theateraufführungen einmalig, flüchtig, nicht wiederholbar und entziehen sich einer materiellen Habhaftwerdung jenseits ihres Vollzugs (vgl. Weiler/Roselt, 2017, S. 45). Methodische Probleme, die Aufführungsanalysen per …
4. Publikumsinvolvierung in Aufführungen immersiven Theaters
Im Folgenden stehen die Einzelanalysen der sechs Aufführungen von Manker, Punchdrunk, SIGNA und Scruggs/Woodard im Zentrum. Dabei habe ich mich aus heuristischen Gründen entschieden, pro Beispiel nur je einen, für …
von Theresa Schütz
4.1 Räumliche und figurenperspektivische Involvierung in Paulus Mankers Alma
Wie in Kapitel 2.3.1 eingeführt, haben wir es bei Mankers Inszenierung von Sobols Polydrama Alma mit der Übertragung eines Simultanstücks in eine komplexe Raumbühne mit parallel bespielbaren szenischen Einzelräumen zu …
von Theresa Schütz
4.1.1 Desorientierung als dominanter Effekt der Zuschauer*innen-Involvierung
von Theresa Schütz
Foto: Theresa Schütz
4.1.2 Zur Einbettung der Zuschauenden in die Wirklichkeitssimulation
Immersives Theater wie Alma stellt auf der Ebene der Weltverhältnisse gegenüber angewandten, interventionistischen oder dokumentarischen Theaterformen eine »Abwendung« von der Welt im Sinne der sozialen und politischen Realität dar (vgl. …
von Theresa Schütz
4.2 Involvierung durch das Soundscape in Punchdrunks Sleep no more
Während die Verwendung von Musik, Geräuschen und komplexen Klanglandschaften im Theater alles andere als ein neues Phänomen ist, so ist doch die theaterwissenschaftliche Auseinandersetzung mit Sounds bzw. mit Wahrnehmungsprozessen auditiver …
von Theresa Schütz
4.2.1 Funktionen und Effekte soundbasierter Publikumsinvolvierung
»The history of Sleep No More as a project – it actually came from sound, it came from old classic film noir soundtracks that actually was a birth for a …
von Theresa Schütz
4.2.2 »Is That All There Is?«: Versuch zur soundbasierten Erzeugung von Nostalgie
Sowohl innerhalb der umfangreichen Forschung zu Punchdrunks Arbeiten als auch in unzähligen Beiträgen von Sleep no more-Fans in sozialen Medien und auf Blogs kristallisieren sich neben den Berichten von One-on-Ones …
von Theresa Schütz
4.3 Olfaktorische Involvierung in SIGNAs Das halbe Leid
Im folgenden Unterkapitel möchte ich am Beispiel von SIGNAs Das halbe Leid aufzeigen, wie Zuschauer*innen insbesondere über die olfaktorische Wahrnehmungsebene in das Aufführungsgeschehen bzw. in den inszenierten Mikrokosmos involviert werden. …
von Theresa Schütz
4.3.1 Funktionen von Geruchsdesign und olfaktorischer Involvierung
Am Beispiel von SIGNAs „Das halbe Leid“
von Theresa Schütz
Foto: Erich Goldmann
4.3.2 Zur Vereinnahmung mit-leidender Zuschauer*innen
1. In pseudotherapeutischen Gesprächen werden die Leidenden dazu gebracht, ihre schlimmsten Ängste, ihre schamhaftesten Gedanken preiszugeben, sich demütigen und so näher an die Realität ihres Leids heranführen zu lassen. […] …
von Theresa Schütz
Foto: Erich Goldmann
4.4 Involvierung durch Handlungsanweisungen in SIGNAs Das Heuvolk
Im Folgenden möchte ich mich am Beispiel von SIGNAs Das Heuvolk einem Modus der Publikumsinvolvierung zuwenden, der für immersive, aber auch für andere partizipative Formen des Gegenwartstheaters von zentraler Bedeutung …
von Theresa Schütz
4.4.1 Funktionen und Wirkweisen von Handlungsanweisungen
Am Beispiel von SIGNAs „Das Heuvolk“
von Theresa Schütz
Foto: Erich Goldmann
4.4.2 Zur Erzeugung von Zugehörigkeit oder der Sehnsucht nach ihr
Zuschauer*innen lernen als fiktionalisierte Gäste an den »Tagen des Zustroms« die Lebenswelt der Gemeinschaft der Himmelfahrer kennen, indem sie für die Dauer von sechs Stunden an ihrem fiktiven Alltag beteiligt …
von Theresa Schütz
4.5 Involvierung durch körperliches Berühren in SIGNAs Wir Hunde
Im folgenden Unterkapitel zeige ich am Beispiel von SIGNAs Wir Hunde, wie Zuschauer*innen haptisch-taktil in das Aufführungsgeschehen und den fiktiven Mikrokosmos involviert werden. Im Zentrum steht dabei die polyperspektivische Betrachtung …
von Theresa Schütz
4.5.1 Berührungen als Modi der Begegnung mit der Transspezies Hundsch
Ich beginne diesen Abschnitt mit acht Miniaturen verschiedener, verbalisierter Zuschauer*innen-Erfahrungen, die der Chronologie der Aufführungsereignisse folgend, ihre ersten Eindrücke beim Betreten des fiktionalisierten Vereinsgebäudes, ihre ersten Hundsch-Begegnungen, eine Teilnahme an …
von Theresa Schütz
Foto: Erich Goldmann
4.5.2 Affektive Dynamiken des körperlichen Ausgesetzt-Seins
In SIGNAs „Wir Hunde“
von Theresa Schütz
Foto: Erich Goldmann
4.6 Involvierung über die affizierende Kraft von Zeichen, Diskursen und Bedeutungen in 3/Fifths – SupremacyLand von Scruggs/Woodard
Die letzte Analyse fokussiert am Beispiel von 3/Fifths – SupremacyLand von James Scruggs und Tamilla Woodard, wie Zuschauer*innen – ähnlich wie bei Das Heuvolk von SIGNA – zunächst über Handlungsaufträge …
von Theresa Schütz
4.6.1 Black or White?
Vor dem 3LD Arts and Technology Center in der Greenwich Street, Lower Manhattan. An der Glasscheibe des Eingangs hängt ein selbstgezeichnetes Schild mit der Aufschrift »SupremacyLand« und der Information, dass …
von Theresa Schütz
4.6.2 Zur Relation von fiktionalem Mikrokosmos und außertheatralem Makrokosmos
Anhand von „3/Fifths – SupremacyLand“ von Scruggs/Woodard
von Theresa Schütz
Foto: James Scruggs
4.6.3 Whiteness erfahren und reflektieren
Da es mir nur möglich ist, aus meiner eigenen, weißen (und weiß markierten) Perspektive über die Aufführung und meine Zuschauer*innen-Erfahrungen zu sprechen, möchte ich im folgenden Abschnitt entlang einer theoretischen …
von Theresa Schütz
Fazit: Von vereinnahmender Publikumsinvolvierung zum Theater der Vereinnahmung
Ausgehend von meinen Sichtungserfahrungen eines breiten Korpus von partizipativen Gegenwartstheateraufführungen stieß ich auf einen kleinen Kreis von Arbeiten, die sich dadurch auszeichneten, Zuschauer*innen temporär zu teilnehmenden Besucher*innen einer alternativen, durchgestalteten …
von Theresa Schütz
Literatur- und Quellenverzeichnis
Literatur- und Quellenverzeichnis Primärliteratur 500 Aufführungen Alma (1996 – 2018) – A Show Biz ans Ende. Programmbuch. The McKittick Hotel. Programmbuch zu Punchdrunks Sleep no more. Lessing, Gotthold Ephraim [1756] …
Die Autorin
Theresa Schütz, geb. 1986, ist Theaterwissenschaftlerin und Kulturjournalistin. Neben ihrem Bachelorstudium der Deutschen Literatur und Kulturwissenschaft an der Humboldt-Universität zu Berlin und ihrem Masterstudium der Theaterwissenschaft an der Freien Universität …
Foto: Copyright: Miriam Klingl