Weiterentwicklung statt Pflege
von Rainer Simon
Erschienen in: Recherchen 101: Labor oder Fließband? – Produktionsbedingungen freier Musiktheaterprojekte an Opernhäusern (02/2013)
Der Repertoirebetrieb stehe in unmittelbarem Widerspruch zu freien Musiktheaterprojekten, so Eberhard Kloke. Er sei das entscheidende Hindernis für deren Produktion an traditionellen Opernhäusern, so Heiner Goebbels. Und damit ist der Repertoirebetrieb zugleich der Produktionsparameter, der die wohl negativsten Kompatibilitätseinschätzungen provoziert. Die Gründe dafür erscheinen auf den ersten Blick naheliegend. Die mit ihm einhergehende Umbesetzungspraxis innerhalb einzelner Produktionen lässt sich schwerlich mit freien Projekten, die personenbezogen entwickelt und dementsprechend auf bestimmte Darsteller zugeschnitten sind, vereinen. Einige Befragte, die sich jenen eindeutigen Stellungnahmen Klokes und Goebbels nicht anschließen wollen,21 führen zwar Bedingungen an, unter denen auch in freien Projekten Umbesetzungen vorgenommen werden könnten: so etwa bei kleineren, weniger typabhängigen Partien und/oder mit genügend Zeit für Umbesetzungsproben. Wie mit den im Repertoirebetrieb notwendigen Umbesetzungen großer Partien sowie dem notorischen Probenzeitmangel umzugehen sei, bleibt dabei allerdings unbeantwortet. Zeit fehlt im Repertoirebetrieb ebenso für die Bühnenbildeinrichtung aufwendiger Projekte; der allabendliche Vorstellungswechsel ermöglicht in der Regel lediglich einen kurzen Zeitraum von jeweils maximal einem Tag für den Bühnenbildauf- und -abbau. In dieser Zeitspanne lassen sich Projekte von Christoph Schlingensief oder Heiner Goebbels nicht einrichten. Schließlich wird noch ein genereller und weit verbreiteter Vorbehalt gegenüber Repertoirebetrieben geäußert: Die Vorstellungen büßten an Qualität ein, wenn sie über...