Thema
Fern und nah
Der Pfarrer Hans-Jochen Vogel erinnert sich an seinen Cousin Heiner Müller und Familienzusammenhänge im Herkunftsraum
Erschienen in: Theater der Zeit: Tilda Swinton – Zwischen Bühne und Film (12/2025)

Heiner Müller wäre in dem Monat, in dem ich mit diesen Aufzeichnungen beginne, 75 Jahre alt geworden. Die Zeitungen schreiben wieder einmal über ihn. Im Radio diskutiert man über ihn. Theater führen seine Stücke auf. Sind es Pflichtübungen, weil man glaubt, es sich selbst oder vielleicht ihm schuldig zu sein, obwohl man sich nicht sicher ist, ob damit heute wirklich jemand zu erreichen ist, ob man selbst noch viel damit anfangen kann? Für manche ist und bleibt er ein Scharlatan, der eigentlich keine Stücke schreiben konnte, der sich immer mehr, statt zu schreiben, marktgerecht selbst inszenierte und vor Fernsehkameras tiefsinnig klingende Sentenzen abließ. Jedenfalls ist er wieder einmal da. Die Angst, die in seinem eigenen Land nur zu berechtigt erschien, er könnte schon bald dem Vergessen anheimgefallen sein, tritt fürs Erste zurück.
Ich beteilige mich an dieser Beschwörung seiner Gegenwart und seines Werkes. Ich lege Kassetten in den Recorder, auf denen seine Stimme gespeichert ist. Erinnerungen an jene Augenblicke meiden sich, in denen ich jeweils zum ersten Mal die hart erkämpften Publikationen mit seinen Texten in der Hand hielt, die Empfindungen jener Tage, das Gefühl, an einem Prozeß von Veränderungen teilzunehmen. Die Stunden, weit zurück, mit ihm in Bräunsdorf, in...














