Jakob Michael Reinhold Lenz (1751–1792) ist einer der Lieblingsautoren Frank Castorfs. Das Gespräch fand im Februar 2010 im Vorfeld seiner Inszenierung des Lenz-Stücks »Die Soldaten« statt.
Der von seinem Jugendfreund Goethe aus Weimar vertriebene Lenz wird in Castorfs »Faust«-Inszenierung 2017 noch einmal auftauchen. Sophie Rois singt sehr verloren Schuberts »Leiermann«-Lied. Martin Wuttke mit der Maske des alten Goethe, ein böser, brutaler Greis, verjagt Rois-Leiermann-Lenz mit seinem Degen wie einen lästigen Hund.
Nach Wolfgang Rihms Lenz-Oper in Wien und dem »Hofmeister« in Zürich inszenieren Sie jetzt mit den »Soldaten« Ihr drittes Lenz-Stück. Was interessiert Sie so an Jakob Michael Reinhold Lenz, diesem etwas irrlichternden Dramatiker aus dem 18. Jahrhundert?
Heiner Müller hat mal erzählt, wie er mit Peter Brook am Berliner Ensemble Brechts »Hofmeister«-Bearbeitung gesehen hat. Brook sagte, wenn es Artauds Theater der Grausamkeit gibt, dann ist es das, »Der Hofmeister« von Lenz.
Die Geschichte einer Kastration: Der Hofmeister, der zu arm ist, um zu heiraten, entmannt sich selbst.
Der Schnitt durch das eigene Fleisch, die Selbstverstümmelung ist der Preis, um in dieser Gesellschaft schmerzfrei zu überleben, um gesellschaftsfähig zu werden, das Leben in der Selbstverleugnung. Es gab im 18. Jahrhundert ernsthafte Reformdebatten, die die Kastration für Junggesellen vorgeschlagen haben, aber...