6. Wiederkehr der Helden
von Wolfgang Engler
Erschienen in: Authentizität! – Von Exzentrikern, Dealern und Spielverderbern (03/2017)
Am 21. Januar 1945, einem Sonntag, sitzen Albert und Louisa Steenstra voll schlimmer Vorahnungen in ihrem Wohnhaus in Groningen.37 Seit Längerem gewähren sie in ihrer Mansarde Juden Unterschlupf, die den Nazis im letzten Augenblick entkamen, manchen für wenige Tage, manchen für Wochen. Einem älteren Ehepaar gegenüber, das sie auf Weisung der Behörden bei sich einquartieren mussten, geben sie die wechselnden Mitbewohner als „holländische Christen“ aus, die sie vor der drohenden Zwangsarbeit in Deutschland bewahren wollten. Doch die alten Leute schöpfen Verdacht. In ihrer Angst, als Mitwisser zur Verantwortung gezogen zu werden, suchen sie Rat bei einem Bekannten aus der Nachbarschaft. Der, ein Spitzel, schaltet die Deutschen ein. Plötzlich stürmen fünf Soldaten mit Schäferhund ins Haus und nehmen Albert ins Verhör. Der weigert sich standhaft, das Versteck preiszugeben. Da lassen sie den Hund auf ihn los. „Oh mein Gott“, ruft seine Frau, „sag es ihnen, sonst sind wir verloren!“ Aber er sagt nichts. Derweil steht der Hund vor der Dachkammer und bellt. Die Soldaten eilen herbei und entdecken die versteckten Juden. In dem allgemeinen Durcheinander gelingt es Louisa, mit ihrer drei Jahre alten Tochter zu fliehen und wenig später unterzutauchen. Erst nach dem Abzug der deutschen Besatzungstruppen erfährt sie, was...