Sachlicher Blick in den Abgrund
Der Regisseur und Autor Mpumelelo Paul Grootboom aus Soweto, Johannesburg
von Rolf C. Hemke
Erschienen in: Recherchen 77: Theater südlich der Sahara – Theatre in Sub-Saharan Africa (06/2010)
Er gilt als das junge Genie des südafrikanischen Theaters. Doch die südafrikanische Kritik boykottiert ihn seit drei Jahren. Im offiziellen Programm des National Arts Festival von Grahamstown ist er dieses Jahr erneut nicht berücksichtigt worden. Man wirft ihm Rassismus gegenüber den weißen Südafrikanern vor (die dazugehörige Geschichte hat er an anderer Stelle dieses Buches ausführlich aufgeschrieben). Ihm eilt der Ruf voraus, notorisch unzuverlässig zu sein, Verabredungen nicht einzuhalten, ständig zu spät zu Proben zu erscheinen, seine Schauspieler zu triezen, auch im persönlichen Umgang eher sperrig zu sein und leicht die Geduld zu verlieren.
Doch nachmittags erscheint Paul Grootboom gerne auch vor der Zeit. Termine morgens einzuhalten falle ihm tatsächlich sehr schwer, gesteht er später. Er komme morgens einfach nicht aus dem Bett: „Ich genieße die Nacht, ich möchte so viel Zeit wie möglich nachts verbringen. Ich lese, schaue Filme, höre Musik, schreibe. Ich bin eine Nachteule.“ Aber das sei eigentlich nicht das, was er selbstkritisch als „sozial schwach“ in seinem Verhalten empfinde. Das rühre eher daher, dass er sehr autoritär und religiös aufgezogen worden sei. Ihm sei nicht erlaubt gewesen, mit anderen Kindern zu spielen, so dass er am Ende nur noch das Verhalten der anderen beobachtet habe. Er sei...