Von einer, die auszog, sich neu zu erfinden
von Helena Waldmann
Erschienen in: Recherchen 162: WAR SCHÖN. KANN WEG … – Alter(n) in der Darstellenden Kunst (11/2022)
Weil es in diesem Buch bisher nun so oft um die Vergangenheit ging, stelle ich mir hier einmal vor, wie Zukunft aussieht. In Actionfilmen und ebensolchen Spielen kommt sie immer von vorne. Die Heldin oder die Spielerin sieht immerzu gewaltige Felsbrocken, Monster, Lawinen auf sich zurasen. Dagegen hilft nichts, außer entweder als Ego-Shooter alles abzuknallen oder ein Spiel zu spielen, das ich seit Kindertagen kenne: das Hakenschlagen, auch Hasenschritt genannt. Es geht um ein schnelles Ausweichen vor den Gefahren, die von vorne, aus der Zukunft, die Gegenwart bedrohen. Ich habe das irgendwann in meiner Arbeit als Tanz-Regisseurin durch ein Wort verstanden, das es so nur im Deutschen gibt. Die Notwendigkeit. Ich meine, es ist die Not, die wendig macht. Diesen wendigen Hasenschritt, um nicht erschlagen zu werden, halte ich für den wichtigsten Tanzschritt überhaupt.
Während die Zukunft uns fleißig wie ein Computerspiel immer neue Bedrohungen am Fließband produziert, Überschwemmungen, Dürren, Tsunamis, Kriege, Hackerangriffe, Meteoriten, Viren, Putsche, Erdbeben – also das ganze Programm der alltäglichen Nachrichten –, werden wir von den Moralisten damit beschäftigt, die Schuld an alledem immer wieder bei uns selbst zu suchen. Wir könnten genauso gut auch nur weiter tanzen, als wäre nichts davon geschehen. Oder wir könnten...