Auftritt
Paris: Zwischen Protest und Poesie
Théâtre du Soleil: „Kanata – Épisode I – La Controverse“ von Robert Lepage und dem Théâtre du Soleil
von Renate Klett
Erschienen in: Theater der Zeit: Bye, Bye, Europe (02/2019)
Robert Lepage ist dafür bekannt, dass seine Stücke zur Premiere nicht fertig sind. Das hat mit seiner Arbeitsweise zu tun. Da er stets mit mehreren Projekten gleichzeitig beschäftigt ist, werden die jeweiligen Proben für Wochen, oft auch Monate unterbrochen und bereichern sich durch die Pausen und Überlappungen. Die verschiedenen halbfertigen Arbeiten befeuern sich gegenseitig, und die Proben gehen auch nach der Premiere weiter.
Er liebt es, alles immer wieder infrage zu stellen, die Reaktionen des Publikums zu verarbeiten und die Schauspieler mit Unvorhergesehenem herauszufordern. Das hält die Aufführungen frisch und verhindert jene genüssliche Spielroutine, die er so sehr hasst. Seine eigenen Leute können diesen Ritt über den Bodensee souverän, auch lustvoll bewältigen – für ein fremdes Ensemble ist er wohl eher angstbesetzt.
Bei der Weltpremiere von „Kanata“ am 15. Dezember 2018 im Théâtre du Soleil in Paris beschloss Ariane Mnouchkine, den Zuschauern das Eintrittsgeld zurückzuzahlen, da sie nicht die Aufführung, sondern nur „eine letzte Probe“ sehen würden. Sie hat Ähnliches auch schon bei eigenen Produktionen gemacht; warum also nicht auch jetzt, wo sie zum ersten Mal in der fünfzigjährigen Geschichte des Theaters ihr Ensemble einem anderen Regisseur anvertraut hatte. Dabei waren die Misslichkeiten des Abends weniger den Spielern als den...