Freiheit usw.
von Adolf Dresen
Erschienen in: Recherchen 93: Der Einzelne und das Ganze – Zur Kritik der Marxschen Ökonomie (05/2012)
Drüben läutet die Freiheitsglocke. Uns macht das Wort Freiheit eher verlegen. Wir lernen, am Ende einer noblen Tradition europäischer Geistesgeschichte, Freiheit heiße Einsicht. Die Gedanken sind nicht frei, sie machenfrei, und zwar, wenn sie bezwungen sind. Die Mauer im Kopf und die Mauer in Berlin sind unnötig. Zensur – welch ein uneffektives System. Man kann sie umgehen, beschimpfen, bekämpfen. Wir haben den innerenZensor. Nicht wer nicht darf, wer nicht will, ist frei. Wenn uns die Einsicht = Freiheit noch fehlt, haben wir die höhere Einsicht der Regierenden, und schon stellt sich heraus, was wir sind: unmündig – froh, daß wir uns einer väterlichen Macht vertrauen können, die uns an der Hand nimmt und vor dem Bösen bewahrt. Wozu sie uns zwingt, ist nur unser eigenes Bestes, genaugenommen unsere Freiheit. „Sicherheit, Geborgenheit, Zukunftsgewißheit“ hieß eine Parole zu den „Volkswahlen“ 76 – das ist es. In einem populären Buch über Tiere vom Fließband (Urania-Verlag) sieht man Kühe in Buchten, Schweine in Buchten, Hühner in Buchten und am Ende, im Abschnitt über das sozialistische Dorf, Menschen in Buchten. Unsere Freiheit heißt Sattheit, Domestikation des Menschen. Wir lernen uns frei, die Gesellschaft eine einzige Schule – das ist die vordere...