Theater der Zeit

1.2. Das Subjekt als Schattenzeichner

von Sebastian Kirsch

Erschienen in: Das Reale der Perspektive – Der Barock, die Lacan’sche Psychoanalyse und das ‚Untote‘ in der Kultur (07/2013)

Formulierungen wie die des »sterblichen Gottes« deuten nun allerdings darauf hin, dass natürlich auch der absolutistische Souverän wieder von einer fundamentalen Spaltung geschlagen ist. Schließlich produziert die Verschmelzung von Lichtpunkt und Geometralpunkt eine letztlich unmögliche, unhaltbare Position, die den blinden Fleck – den Blick – aus dem Sehen eskamotieren will und das königliche Subjekt dauerhaft auf jenen körperlosen Beobachter zu reduzieren versucht, der im Brunelleschi-Experiment ­seinen ersten historischen Auftritt hat. Wenn die barocken Souveräne also ein ums andere Mal scheitern, dann gehen sie immer wieder an einem »Missverhältnis« (Benjamin) zu­grunde, das als notwendiger Abgrund zwischen Geometral- und Lichtpunkt klafft. Auch dieser Vorgang lässt sich gut mittels eines bei Bredekamp abgedruckten Bildes über das Zeichnen illustrieren, einem Stich, der diesmal aus dem Jahr 1675 stammt und den in Kapitel II schon einmal kurz erwähnten Butades-Mythos variiert: Joachim von Sandrarts »Die Erfindung der Malerei« zeigt einen Hirten, der, in die von links oben schräg einfallenden Sonnenstrahlen getaucht, die Kontur seines eigenen Schattens mit einem Stock nachzuziehen versucht. Der Stich lässt sich leicht in eine spezifische Anordnung der beiden Lacan’schen Dreiecke übersetzen. Dabei legt sich erstens der Geometralpunkt mit dem Schirm aus dem visuellen Dreieck übereinander. Und zweitens faltet das geometrale Dreieck sich...

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